Bürgerfunk und Jugendarbeit (Juli 2004)

Übersicht

1   –   Wir über uns.
2   –   Was ist Jugend?
3   –   Non scolae sed vitae discimus
4   –   Curriculum oder Bock.
5   –   Von der Katharsis zur Kultivierung
6   –   Reale Rezeptionssituation
7   –   Man nehme…
8   –   Quicky, Ketchup und roter Faden.
9   –   Imitation erwünscht.
10  –  Rechtskram

1 – Wir über uns

In Deutschland hat sich seit 1985 ein dichtes Netz von gemeinnützigen und nichtkommerziellen Hörfunk- und Fernsehsendern, den so genannten Bürgermedien, entwickelt. Es gibt sie in fast jedem Bundesland, allerdings mit unterschiedlicher organisatorischer Ausprägung und Zielsetzung. Nicht zuletzt der Experimentierfreude der ostdeutschen Bundesländer ist es zu verdanken, dass sich inzwischen eine große Typen-, Organisations- und Konzeptvielfalt herausgebildet hat,die auch im internationalen Vergleich ihresgleichen sucht. Derzeit sind bundesweit über 140 Bürgermedienprojekte auf Sendung.

Trotz aller Unterschiede weisen die verschiedenen Formen von Bürgermedien wesentliche Strukturmerkmale auf, die sie deutlich von öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Rundfunkveranstaltern unterscheiden:

  • Konkrete Angebote an Einzelne und Gruppen zur Verwirklichung der Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit
  • Zugangsoffenheit
  • Vermittlung von Medienkompetenz
  • alternative Sendungen bzw. Programme
  • Prinzip ausschließlich lokaler und regionaler Verbreitung
  • Grundsatz der Werbefreiheit von Sendungen bzw. Programmen
  • Trägerschaft des Senders durch einen eingetragenen Verein, meist gemeinnützig, durch eine andere gemeinnützige Körperschaft oder eine Landesmedienanstalt.

Im Folgenden sind mit Bürgermedien immer die ganze Palette der genannten Formen gemeint, ist z.B. ausschließlich Offener Kanal gemeint, wird dieses auch so benannt.

Gemein ist allen diesen Formen der Bürgermedien, daß sie (im Grundsatz) offen für alle Bürgerinnen und Bürger sind. Deshalb hat auch der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, sie durch Rundfunkgebührenmittel zu unterstützen. Alle Formen der Bürgermedien sind, auch wegen dieser Finanzierung, nicht-kommerziell und werbefrei. Die notwendige Unabhängigkeit von Privatinteressen gibt dieser dritten Säule des Rundfunks die nötige Standfestigkeit.

Während Offene Kanäle und NRW-Bürgerfunk jedoch den Schwerpunkt auf die Verwirklichung der Meinungsfreiheit aller Bürgerinnen und Bürger legen und damit uneingeschränkte Zugangsoffenheit für Produktionsmittel und Sendeplätze als oberstes Prinzip praktizieren, steht bei nicht-kommerziellen Lokalradios die Funktion der publizistischen Ergänzung im Vordergrund; deshalb ist die Zugangsoffenheit in der Regel durch Absprachen in einem Plenum oder ähnlichem begrenzt. Letztlich ziehen jedoch alle Formen der Bürgermedien an einem Strang: Die dritte Säule des Rundfunks soll eine Möglichkeit geben, Meinungen, die weder im öffentlich-rechtlichen noch im kommerziell-privaten Rundfunk vorkommen, in die Öffentlichkeit zu heben.

Auch wenn es kaum möglich ist, die Bürgerinnen und Bürger, die an Bürgermedien partizipieren, zu beschreiben – so vielfältig und so uneinheitlich ist die Klientel vor Ort -, so ist auch überall deutlich, dass Jugendliche und junge Erwachsene ein bedeutender Teil derjenigen sind, die Radio und Fernsehen selber machen. Geringere Hemmungen gegenüber technischen Geräten mögen da ebenso eine Rolle spielen wie der Reiz des Neuen oder einfach der Spaß, den TV- und Radiomachen bereitet.

Aus der Sicht derjenigen, die Bürgermedien organisieren, spielt deshalb „Jugend“ eine große Rolle.

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2 – Was ist Jugend?

Soziologisch definierte „Jugend“ wird durch die „Kindheit“ und „Erwachsensein“ eingegrenzt. Von den verschiedenen Beschreibungen von „Jugend“ sei hier willkürlich der Ansatz von Clausen gewählt. Danach (Clausen, Jugendsoziologie, Stuttgart 1976) kennzeichnet dabei „Kindheit“ das Prinzip der Imitation, die Nachahmung der Handlung anderer, „Jugendlich“ das Prinzip Antizipation, die Vorwegnahme von späteren Handlungen, während Erwachsene sich der Realität uneingeschränkt stellen müssen. Der Übergang von einer Phase zur nächsten findet durch eine Art „Initiation“, einem ritualisierten Übergang, statt.

Stufen der kindlichen Entwicklung

                                            Prägendes Merkmal

    Kind                                   Imitation

                                             Initiation ⇓

    jugendlich                            Antizipation

                                             Initiation ⇓

    erwachsen                           Realisation

Kinder sehen zwar teilweise viel oder zuviel fern, aktive Arbeit mit elektronischen Medien sollte aber wegen der fehlenden Fähigkeit von Kindern zur Abstraktion eher mit den Eltern durchgeführt werden. Für Jugendliche bedeutet Antizipation auch, Erfahrungen schrittweise zu machen, Verantwortung schrittweise zu übernehmen, sich immer mehr der Erwachsenenrolle, der vollständigen Eigenverantwortung, zu nähern. Erwachsene schließlich sollten sich partizipativer Medien vorsätzlich und zielgerichtet bedienen.

Für Medienarbeit sind die Merkmale der „Antizipation“ aus zweierlei Sicht wichtig. Jugendliche als Rezipienten werden durch die Art und Weise, wie sie fernsehen, in ihrem späteren Rezipientenverhalten, und das schließt die Rezeption programmlicher Fehlentwicklungen ein, geprägt. Jugendliche als Produzenten aktiver Medienarbeit, die sich also selbst Medien erarbeiten und zur Darstellung von Inhalten zunutze machen, können schon früher ein relativiertes Verhältnis zu Medien entwickeln. Die Möglichkeit, abstrakte Begriffe plastisch wahrzunehmen und darzustellen, die Fähigkeit, nach formalen Kriterien zu produzieren, das Vermögen, ein vollständiges Werk zu sehen oder herzustellen, aber auch das Können, eine schwere Kamera ruhig zu halten (oder aber zu wissen, wie das ist), ergeben letztendlich eine abgerundete kommunikative Identität.

Medienarbeit ist Medien-arbeit. So wichtig auch das Erlangen von Medienkompetenz ist, so ist es doch immer ein Mittel zum Zweck. Idealerweise kann die Erarbeitung von Themen und der Erwerb von Medienkompetenz so verbunden werden, daß sich Motivation und Produktionsergebnis gegenseitig positiv beeinflussen. Eine Medienkompetenzausbildung ohne einen konkreten, zu behandelnden Inhalt ist verhältnismäßig sinnlos. Und die Erarbeitung eines Themas mit selbstgestalteten Medien macht deutlich mehr Spaß als Trockenübungen.

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3 – Non scolae sed vitae discimus.

Das Alter der an der Jugendarbeit Interessierten kann mit 8-18 Jahren ansetzt werden. Die Möglichkeiten, mit Medien zu arbeiten, sind in diesem Zeitraum unterschiedlich ausgeprägt. Es können fünf Entwicklungsstufen, die im Einzelfall individuell und sozial differenziert werden müssen, unterschieden werden.

Alter Denken Sozial-kognitive Entwicklung
7-8 Fixiert Es gibt für jede Situation nur eine Handlungsweise oder Beurteilung.
9-10 Isolierend Alternativen kommen ins Blickfeld, werden jedoch isoliert bewertet. Orientierung an den eigenen Bedürfnissen unter Beachtung der Interessen anderer.
11-12 Konkret-differenzierend Vor- und Nachteile werden unverbunden abgewogen, Vorteilsmaximierung. Orientierung an der Erwartung von Bezugspersonen und Bezugsgruppen.
13-15 Systematisch-kriterienbezogen Systematische Abwägung von Kriterien wird vorgenommen. Orientierung am sozialen System mit einer bewußten Übernahme gerechtfertigter Verpflichtungen.
16-18 Kritisch-reflektierend Der Prozeß der Prioritätensetzung wird thematisiert und reflektiert.

(nach Tulodziecki, G.,1994, Unterricht mit Jugendlichen, 2. Aufl., Bad Heilbrunn)

Wie bei jedem Modell läßt auch dieses mit Sicherheit offene Fragen und dient in erster Linie dazu, Orientierung zu geben und einen ersten Anhalt für die Einsatzmöglichkeit von Methoden zu liefern.
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4 – Curriculum oder Bock

Schule und Jugendarbeit haben Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Sie haben es meist mit denselben Personen zu tun, Jugendlichen, deren persönlichem und sozialem Hintergrund, deren Interessen und Bedürfnissen. Unterschiedlich sind jedoch Struktur und Motivation der Arbeit.

Jugendarbeit Schule
Motivation intern, d.h. durch die Sache oder die Jugendlichen selbst gegeben extern, d.h. vorgegeben durch Gesetz, Lehrplan und Zensuren
Zeitrahmen flexibel und nach Absprache vorgegeben und in festem Rhythmus
Finanzierung freiwillige Leistung von Staat und Einrichtungen, stetige Krise Pflichtleistung des Staates, durchfinanziert – oder nicht.
Mitarbeiter Ehrenamtliche, Nebenamtliche und Hauptamtliche in einem Netz Hauptamtliche in fester hierarchischer Struktur
Kontinuität von den Mitarbeitern/ Einrichtungen und Teilnehmern abhängig durch das Gesetz vorgegebene hohe Kontinuität bis hin zur Starre
Curriculum offen und verabredungsbedingt durch Lehrpläne vorgegeben

Während Medienarbeit in der Schule sich primär daran orientiert, vorhandene Curricula so umzusetzen, daß Medienerziehung eines der vielen Mittel der schulischen Erziehung ist, kann Medienarbeit in der Jugendarbeit neue Themen entdecken, vorhandene Themen neu erschließen, notfalls sogar Selbstzweck bis hin zur beruflichen Orientierung sein.

Sinnvollerweise richtet sich Jugendarbeit so aus, daß die strukturellen Vorteile optimal genutzt werden können.

Motivation Die Notwendigkeit interner Motivation zwingt die Verantwortlichen zu adäquater Adressatenansprache.
Zeitrahmen Ohne 45-Minuten Rhythmus kann Jugendarbeit die mediale Betätigung dem Zeitbudget der Jugendlichen anpassen.
Finanzierung Engagement der Jugendlichen für Projekte schlägt sich oft in besserer Behandlung und Auslastung der Geräte nieder.
Mitarbeiter Teamarbeit entspricht eher Medien-Produktionsbedingungen als eine Hierarchie, setzt Kreativität frei und fördert soziale Kompetenz.
Kontinuität Projekte werden abgeschlossen, bevor neue angegangen werden. Medienarbeit und Jugendarbeit gehen hier gleichartig vor.
Curriculum Die Themen, die Jugendarbeit ohnehin behandelt, können über Medien interessanter vermittelt werden als ohne.

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5 – Von der Katharsis zur Kultivierung

Die Diskussion um Gewalt in elektronischen Medien, im wesentlichen im Fernsehen, hat verschiedene Theorien hervorgebracht, wie Fernsehen wirkt. Diese Theorien liefern für Fernsehwirkung im allgemeinen wichtige Erklärungszusammenhänge.

 

Kartharsistheorie Gewaltdarstellungen im Fernsehen bieten Menschen die Möglichkeit, aggressive Stimulanz in der Phantasie zu bearbeiten und damit abzureagieren:Fernsehgewalt als Ventil für reale Gewalt
Theorie der
Wirkungslosigkeit
Wissenschaftliche Studien hätten bewiesen, daß aggressions­steigerndes Verhalten massenmedialer Gewaltdarstellung nicht nachzuweisen ist.
Theorie der kongnitiven Dissonanz Diese Theorie stützt sich auf die Vermutung, daß Menschen nur die Informationen durch Filme aufnehmen, die der Bewußtseinslage vor dem Kommunikationsprozeß entsprechen. Letztlich bauen Medien darauf auf, wozu die Rezipienten ohnehin tendieren.
Stimulations­these Latent vorhandene Verhaltensweisen werden durch Betrachtung von Gewaltszenen im Fernsehen als legitime Verhaltensweise empfunden.
Habitualisierungs-
­these
Nicht ein einzelner Film bewirkt aggressionssteigerndes Verhalten, sondern immer wieder ähnliche gewalthaltige Filme mit gleichen immer wiederkehrenden Mustern erzeugen einen Gewöhnungseffekt. Letztlich führt dies zu einer höheren Gleichgültigkeit gegenüber tatsächlicher Gewalttätigkeit.
Nutzen- und
Belohnungsthese
Rezipienten suchen ihre Medien zielgerichtet, d.h. nach ihren eigenen Bedürfnissen aus und versuchen diese zu befriedigen. Dies gilt allerdings auch für unbewußte Bedürfnisse.
Sozial-kognitive
Lerntheorie
In Bilddarstellungen beobachtete Verhaltensweisen werden dann umgesetzt, wenn verschiedene andere Variablen, die im Alltag erlebt werden, in Einklang mit den medialen Vorbildern zu bringen sind. Belohnungen und Bestrafungen, die in den Medien zu beobachten waren, würden genauso in die Entscheidung für eine mögliche Nachahmung einfliessen.
Verstärkungs-
­hypothese
Bei solchen wird eine Lernwirkung vermutet, die bereits vor dem Kommunikationsprozeß vorhanden waren. Die „doppelte Dosis“ einer bestehenden Gewaltdisposition kommt zu der Dosis der Filmgewalt als Motiv für reale Gewalt hinzu.
Suggestionstheorie: Wie bei Goethes „Werther“ können Themen und Sachzusammenhänge, die eigentlich für Einzelne nicht so recht real waren und damit auch in der Gesellschaft keine Rolle spielen, durch ein massenmediales Ereignis akzeptabel und durchführbar erscheinen.
Kultivierungs-
­hypothese
Junge Menschen mit einem hohen Fernsehkonsum bekommen durch das Fernsehen ein bestimmtes Bild von der Welt und der Gesellschaft vermittelt. Das Fernsehen ist zu einem dominierenden Sozialisationsfaktor geworden.
Inhalts- Zusammen-
hangs­modell
Medienmöglichkeit kann dann zur Imitation führen, wenn das gesamte mediale Werk zur Nachahmung anregt. Die Identifizierung mit dem Täter oder dem Opfer oder entsprechenden Verhaltensweisen findet also erst statt, wenn das Gesamtwerk Täter oder Opfer und deren Verhaltensweisen positiv darstellt. Dabei ist die Botschaft des Films wie ein Schlüssel zur individuellen Situation des Betrachters.

Auch wenn über die Wirkung von Medien, insbesondere Fernsehen, kein wissenschaftlicher Konsens besteht, wird eine Wirkung als solche vorausgesetzt. Das „Inhalts-Zusammenhangs-Modell“ findet zur Zeit die größte Zustimmung.

Modelle dienen bekanntermaßen nicht dem Ersatz der Realität, sondern stellen nur eine Meßlatte dar. So sollen auch die hier dargestellten Modelle dazu dienen, Medienwirkung zu erklären, merkwürdiges Verhalten von Jugendlichen nach Medienkonsum verständlich zu machen.

(Ein ausführliche und annotierte Darstellung der genannten Ansätze findet sich in der Broschüre Jugendschutz in den Medien, kostenlos zu beziehen bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V.(FSF), Rauchstr. 18, 10787 Berlin, Tel. 030-2620029.)

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6 – Reale Rezeptionssituation

Die Lernfelder der Medienerziehung lassen sich grob in 5 Bereiche aufteilen (Tulodziecki, G. u.a., Handlungsorientierte Medienpädagogik in Beispielen, Bad Heilbrunn, 1995, S. 23 ff.).

Erkennen und Aufarbeiten von Medien-
einflüssen

Verstehen und Bewerten von Medien-
botschaften

Auswählen und Nutzen von Medien-
angeboten

Eigenes Gestalten und Verbreiten von Medien

Analyse und Einflußnahme
im gesellschaft-
lichen Kontext

Die Gestaltung und Verbreitung von Medien sind dabei ein idealer Einstiegspunkt auch in die anderen Lernfelder. Insbesondere programmliche Fehlentwicklungen in fast allen Bereichen des Rundfunks können, wenn überhaupt, nur mit dem Prinzip der „aktiven Medienarbeit“, zumindest in bezug auf die Rezipienten aufgefangen werden. Bürgermedien sind sich hierbei ihrer Verantwortung bewußt, bieten sie doch in dem Konzeptfeld der „aktiven Medienarbeit“ die einzige Möglichkeit, erarbeitetes Material unzensiert zu verbreiten und damit einer realen Rezeptionssituation auszusetzen.

Konzept „Aktive Medienarbeit“

Schritte eigene
Idee
eigene Konzeption eigene Produktion selbstverant-
wortete Sendung
Lernfelder – Inter-
essenfor-
mu­lierung – poli-
tische
Bildung
– Koaliti-
onsbildung
– Kreati-
vität
– Ideen-
umsetzung – Plan-
ungs-
erfah-
rung
– mediale
Formen
– inhalt-
liche Aufar-
beitung
– mediale
Erfahrung – Koordi-
nation
– thema-
tische
Realisation
– gesell-
schaftl.
Verant-
wortung
– reale
Rezeptions-
situation
– Präsenta-
tions-
erfahrung

 

Bei Medienwerkstätten, die inzwischen fast flächendeckend vorhanden sind und sich im Bereich der aktiven Medienarbeit große Verdienste erarbeitet haben, ist die Sendung nicht möglich. Dies können nur die verschiedenen Formen der Bürgermedien.

Die Sendung von Medienwerken ist nicht nur deswegen wichtig, weil zu einem Medium nunmal die Rezeption dazugehört, sondern führt bei den Produzenten auch zu Selbstbestätigung, Werkfreude und, vielleicht am wichtigsten, zur Entwicklung von Freude an Gruppenprozessen. Medienwerke können selten allein hergestellt werden, erfordern fast immer Teamarbeit. Dadurch entstehen, quasi nebenbei, ebenso wie die inhaltliche Aufarbeitung von Themen Gruppenerlebnisse und damit soziale Kompetenzen.

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7 – Man nehme…..

Tulodziecki hat (Tulodziecki, G., u.a., Handlungsorientierte Medienpädagogik in Beispielen, Bad Heilbrunn, 1995, S. 38. Dort finden sich auch ausführliche Informationen zu den genannten Projekten.) für die Schule zusammengestellt, welche Medien in welcher Altersstufe eingesetzt werden können. Diese Übersicht umfaßt alle Arten von Medien und ist auch auf Jugendarbeit und deren spezielle Bedürfnisse übertragbar.

Alter

Erkennen
und
Aufarbeiten
von Medien-
einflüssen

Verstehen
und
Bewerten
von Medien-
­botschaften

Auswählen
und Nutzen
von Medien-
angeboten

Eigenes
Gestalten
und
Verbreiten
von Medien

Analyse und Einfluss-
nahme im gesell-
­schaft­lichen
Kontext

6-7

Aufarbeiten
von medien-
beeinflußten
Gefühlen:
Gruselobjekt

Unterscheiden verschiedener Darstellungs-
formen:
Märchenprojekt

Mediennutzung
zur Unterhal-
tung:
Freizeit-
gestaltung

Gestalten einer eigenen Fotodoku-
mentation:
Verkehrs-
projekt

8-9

Aufarbeiten
von medien-
beeinflußten Vorstellungen:
Polizeiprojekt

Unterscheiden verschiedener Absichten bzw. Kategorien:
Stadtprojekt

Mediennutzung
zur Information
und zum
Lernen:
Singvögel

Analyse und
Kritik von Bilderge-
schichten:
Comics

10-11

Unterscheiden verschiedener Gestaltungs-
techniken:
Werbeprojekt

Mediennutzung
zum Spielen:

Konfliktfälle bei Computerspielen

Gestaltung eines eigenen
Hörmagazins:

Klassenradio

Analyse und
Kritik von Fernseh-
unterhaltung:
Vorabend-
serien

12-13

Aufarbeiten
von medien-
beeinflußten Verhaltens-
orientierungen:
Konflikt-
verhalten

Unterscheiden verschiedener Gestaltungs-
arten:

mediale Variationen

Gestalten einer eigenen Zei-
tung mit Hilfe
eines Com-
puters:
Schülerzeitung

Analyse und
Kritik von Musikan-
geboten

Videoclips

14-15

Erkennen von Einflüssen auf
das Alltags-
geschehen:
Fragebogen-
aktion

Nutzung zur Problemlösung
und Entschei-
dungsfindung: Computer-
simulation

Gestalten eines eigenen Films:

Videoprojekt

Analyse und
Kritik von Computeran-
wendungen:

Computer-
kassen

16-18

Nutzung für
neue Kommu-
nikationsformen:

Konferenz-
projekt

Gestalten eines eigenen Computer-
programms:
Zukunftsent-
wicklungen

Analyse und Kritik von politischen Infor-
mationen:

Nachrichten
und Magazine

Obwohl die aktive Nutzung von AV-Medien (Projekte oben fett) natürlich von der sozialen und persönlichen Situation der Jugendlichen abhängig ist, so wird doch deutlich, daß

– die aktive Arbeit mit Audio/ Radio früh(ab 8-10 J.) anfangen    kann,
– die aktive Arbeit mit Video sinnvollerweise erst mit 12
Jahren einsetzen sollte.

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8 – Quicky, Ketchup und roter Faden

Bürgermedien können sich der vollen Bandbreite der Möglichkeiten bedienen, die das jeweilige Medium bietet. Auch hier sind Parallelen zum schulischen Einsatz vorhanden. Während ein Rohfilm sofortige Erfolgserlebnisse bietet, aber nur mit größerem Technikaufwand auch ansprechende Ergebnisse liefert, ist der gebaute Film der klassische Videofilm, an dem alle Teile des Produktionsprozesses geübt und verstanden werden können. Im Magazin schließlich werden verschiedene Talente zusammengeführt. Eine derartige Liveproduktion erfordert zwar einigen Aufwand, stellt aber einen deutlichen und pädagogisch erkennbaren Abschluß eines Projektes dar.

Video/ Film A: Rohfilm (fast) unbearbeitet, Vorspann und „Rausschnitt“ der Pausen sind aber möglich. B. gebauter Film bearbeiteter, redaktioneller Beitrag; geschnitten, betitelt und nachvertont C: Magazin Live-Moderation, Interview Live oder vorpro-
duziert, Vorproduk-
tionen
1. DOKU­MEN-
­TARISCH
I.A.1
Gruppenpro-
zesse
1.A.2
Bewegungs-
analyse/Sport
1.A.3
Sprachgrund-
übungen
1.A.4
Dokumenta-
tion im naturkund-
lichen Unter-
richt
1.A5
kulturelle      Veranstaltung
(Musik, Diskussion,
Lesung)

1.B.1
aktuelle        Reportage
(schulintern/ extern,fachbe-
zogen/allgemein)
1.B.2
Lehrfilm,
Unterrichts-
baustein
1.B.3
Zeitraffer/
Experiment-
beobachtung
1.B.4
Öffentlich-      keitsarbeit
1.B.5
Zeitzeugen
1.B.6
Exkursions-/    Praktikums-
bericht
1.B.7
Einsatz von
Sprache/Kommen-
tar als Gestal-
tungsinstrument

1.C.1
Magazin zum Verschicken:
Videobrief
1.C.2
Magazin in         der Einrichtung:
Videozeitung
1.C.3
Magazin bei
Bürgermedien
Musikmagazin
1.C.4
Magazin für       Jugendliche
Jugendmagazin
1.C.5
Magazin zu be-
sonderem
Anlass
Wahlsendung

2. FIKTIONAL

2.A.1
Theaterauf-
führung
2.A.2
Spielszene/
Anspiel
2.A.3
Rollenspiel

2.B.1
Zukunftsvision
2.B.2
fiktive Reportage
2.B.3
Literaturverfilmung
2.B.4
Daumenkino
2.B.5
Zeichentrickfilm
2.B.6
Werbung
2.B.7
Gedichtbear-
beitung
2.B.8
Videoclip
2.B.9
Film: Idee/Exposé/ Drehbuch/Insze-
nierung/Schnitt
2.C.1
Zukunftsvision
2.C.2
fiktive Repor-
tage

Auch wenn sich einige Formen ähnlich anhören ( „Magazin in der Einrichtung: – Magazin bei Bürgermedien – Magazin für Jugendliche – Magazin zu besonderem Anlaß“), so ist doch der organisatorische und der pädagogische Unterschied groß.

Der Zeit- und Arbeitsbedarf sowie die der pädagogische Ort läßt sich jeweils wie folgt beschreiben:

Rohfilm/ Dokumentarisch (1.A)

Oft nur mit einer Kamera gedreht(1.A.1.-1.A.4.), leicht organisierbar, allerdings oft nicht sendefähig. Einfacher Einstieg in Videoarbeit, gute Grundlage zum Kennenlernen der Geräte und deren Möglichkeiten.

Rohfilm/ Fiktional (2.A)
Werden mehrere Kameras, z.B. mit einem Mobilstudio, verwendet(1.A.5.-2.A.3.), entstehen auf einfache Art sehr brauchbare Produktionen mit positivem Erfolgserlebnis. Für Situationen mit geringem Zeitbudget sehr geeignet.

Gebauter Film/ Dokumentarisch (1.B)
Zwar müssen die Schritte zur Schaffung eines Produktes vollständig erfaßt werden, da jedoch die Handlung vor der Kamera ohnehin stattfindet, ist ein überschaubarer Organisationsaufwand notwendig.

Gebauter Film/ Fiktional (2.B)
Fiktionale Werke lassen den größten Spielraum für die Phantasie der Beteiligten, müssen jedoch intensiv konzeptionell betreut werden, um ein erreichbares Ergebnis überhaupt erzielen zu können. Oft beflügelt das Vorhaben „Wir machen einen Film“ die Phantasie Jugendlicher so, daß, mit kommerziellen Filmen vor Augen, Riesenprojekte mit exotischen Spielelementen entworfen werden. Diese Projekte kommen meistens zu keinem befriedigendem Ergebnis, so daß die Enttäuschung hinterher groß ist.

Magazin/ Dokumentarisch (1.C)
Das Magazin hat sich zur bekanntesten journalistischen Darstellungsform entwickelt. Es ist aber auch für die Jugendarbeit höchst sinnvoll. Verschiedene Talente (Technik, Moderation, Kulisse, Organisation, Ton …) findet Möglichkeiten zur Entfaltung, in Gruppenarbeit werden einzelne Teile unterschiedlichster Art (MAZ, Interview, Moderation, Kommentar, Verlautbarung…) vorbereitet, die anschießend zu einem Ganzen gefügt werden.

Magazin/ Fiktional (2.C)
Fiktionale Magazine verbinden die Möglichkeit des kreativen Übermutes mit der Vertrautheit bekannter Darstellungsformen. Sie sind dabei gut als Einstiegsübung geeignet, weil ein hoher spielerischer Anteil von selbst entsteht. In Verbindung mit methodischen Ansätzen der Zukunftswerkstatt („Unser Ort in 10 Jahren“) kann sogar eine gezielte Sensibilisierung für Steuerungsfragen der sozialen und ökologischen Umwelt erreicht werden.

Läßt man die in der Radioarbeit überwiegenden Musiksendungen außen vor oder nimmt man diese Musiksendungen als Rahmen für inhaltsbetonte Magazine, bleiben eine Anzahl von Formen, die in Kombination mit der inhaltlichen Erarbeitung von Themen nutzbar sind.

Radio A: Mitschnitt
(fast) unbearbeitet, Anmoderation und „Rausschnitt“ der Pausen sind aber möglich
B: Beitrag
redaktionell bearbeitet, aus O-Ton-Material und eigenem Text (Studioaufnahme) zusammengesetzt
C: Magazin
Live-Moderation, Interview Live oder vorproduziert, Vorproduktionen
1.Nicht-
fiktional
und
Meinung
1.A.1
kulturelle
Veranstaltung
(Musik,Diskus-
sion, Lesung)
1.A.2
politische
Veranstaltung
(Kundgebung,
Diskussion,
Bürgerschafts-
sitzung)
1.A.3
langes Inter-
view, Streit-
gespräch
(Studio/außer-
halb)

1.B.1
aktuelle Repor-
tage (schulin-
tern/ extern,
fachbezogen/
allgemein)
1.B.2 Straßenumfrage
1.B.3
Feature
1.B.4
Öffentlichkeitsarbeit
1.B.5
Zeitzeugen
1.B.6
Geräuschebild
1.B.7
„Gebauter Beitrag“
1.B.8
Kommentar/ Glosse
1.B.9
Moderation
1.B.10
Nachricht,Meldung,
Bericht
1.B.11
Chronologie,
Dokumentation

1.C.1
Magazin zum
Verschicken:
Cassettenbrief
1.C.2
Magazin an der
Schule: Schulradio,
Projektwoche
1.C.3
Magazin bei Bürgermedien
1.C.4
Magazin für
Jugendliche
1.C.5 Musikmagazin
1.C.6
Radio Essay

2. FIKTIONAL

2.A.1
Szenische
Lesung,(wort-
betontes)
Kabarett
2.B.1 Zukunftsvision
2.B.2
fiktive Reportage
2.B.3
Hörszene, Hörspiel
2.B.4
Radio-Comedy
2.B.5
Jingle
2.B.6
Werbung
2.B.7
gestellte Dialoge
2.B.8 Selbstgespräch/
innerer Monolog
2.B.9
fiktive (HörerInnen) Briefe
2.B.10
Trailer Erken- nungs­melodie
2.B.11 Musik
2.C.1 Zukunftsvision
2.C.2
fiktive Repor-
tage

Die Bewertung der Einsatzmöglichkeiten für Radiowerke ist analog den oben aufgeführten Vorschlägen für Videoarbeit zu sehen. Grundsätzlich sollte bedacht werden, daß die spezifischen Vorteile von Radio (einerseits geringer technischer Aufwand, andererseits große Notwendigkeit zur Abstraktion) zielgerichtet eingesetzt werden müssen.

Seit zwanzig Jahren gibt es eine konstant hohe Hörfunknutzung bei Jugendlichen bei deutlich unterschiedlicher Nutzung des Fernsehens; dabei nimmt die Programmbindung durch die Vielzahl der medialen Angebot ab. Insbesondere ist die intensive Nutzung von Speichermedien festzustellen, bei der, wie auch bei der Radionutzung, Musik im Vordergrund steht.

Das Beispiel des OK Lübeck (OKL) zeigt, daß junge Leute auch hier die stärkste Altersgruppe der Nutzerschaft stellen und die alterstypische Musikpräferenz zeigen. Die Sendungen orientieren sich deshalb oft an bekannten und erfolgreichen Radiostationen. Nach dem Start von N-Joy beispielsweise, einem jugendorientierten Programm des NDR, fanden sich bald viele Nachahmer im Offenen Kanal. Bei einigen Nutzern war sogar der Wunsch festzustellen, „entdeckt“ zu werden oder auch Rekordsendungen durchzuführen.

Es findet sich allerdings bei den Sendungen im OKL ein sehr breites musikalisches Spektrum. Spezielle Musikszenen finden ihren Platz, der in anderen, stromlinienförmigen Programmen, immer enger wird. Viele Nachwuchsbands nutzen das Bürgerradio für selbstgemachte Musik.

Bürgerradio ist für Jugendliche auch durchaus ein Mittel, sich mit sozialen, politischen und kulturellen Lebensumständen auseinanderzusetzen. Eine besonders intensive Aktivierung fand beispielsweise durch ein Wahlprojekt statt, an dem sowohl regelmäßige Nutzer des OKL, als auch Jugendliche teilnahmen, die ausschließlich an diesem Projekt partizipierten. Es entstand auf diese Weise sowohl eine eigene , recht präzise Hochrechnung, an der etwa 50 Jugendliche beteiligt waren, als auch eine regionale Live-Wahlsendung mit Gesprächen und Informationen. Die Sendung und deren Vorbereitung führten „neue“ und „alte“ OK-Nutzer zusammen, ein von allen Beteiligten als sehr positiv empfundener Effekt.

Beim Projekt Jugendsender Eutin, vom OK Lübeck in einer Kleinstadt innerhalb des OK-Sendebereiches durchgeführt, wurden „schwierige“ Jugendliche an das Medium herangeführt und setzten sich mit dem Thema „Straftaten“ auseinander, in dem sie beispielsweise ein Interview mit einem Jugendrichter oder einen Knastbesuch durchführten.

Wenn auch das Radio vielfach nicht ins Blickfeld derjenigen rückt, die sich professionell mit Jugendlichen und Medien beschäftigen (die Medienkompetenzdebatte geht von Defiziten wie Gewaltdarstellung, Dauermedien’konsum‘, Computerkids aus und gelangt von dort zu eigenständigem Produzieren als ‚Gegenstrategie‘) können durch die praktische Hörfunkarbeit Produktions- und Rezeptionszusammenhänge exemplarisch erarbeitet werden. Der geringere technische Aufwand führt zu schnellerem Produzieren, die nicht so hohe Komplexität der Aufnahmesituation ermöglicht es Jugendlichen einen wesentlich höheren Standard zu erreichen, als dies bei TV-Projekten möglich ist, zumal ein wesentlicher Teil der Produktion, die Musik von CD, durchweg professionellen Standard aufweist.

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9 – Imitation erwünscht

Aus den aufgeführten Möglichkeiten hier nun einige Beispiele. Diese Beispiele sind nach den eben dargestellten organisatorischen Merkmalen geordnet, nicht nach Lernzielen oder Jugendalter. Daß auch bei den Beispielen Magazine überwiegen, ist kein Zufall, sondern Anzeichen für die praktische Bedeutung dieser journalistischen Form.

zu 1.B – Gebauter, dokumentarischer Film
Die Leiden der Telekom – Randale im Telefonhäuschen – ein Film

Idee Ein Artikel in der lokalen Tageszeitung bringt eine Gruppe von Jugendlichen auf die Idee, eine Reportage über Vandalismus und Zerstörung an Telekom-Eigentum zu machen.

Durchführung Drei der Jugendlichen zwischen 14 und 16 hatten an einem Ferienseminar des Offenen Kanals Kiel teilgenommen und daher schon Vorerfahrung. Eine Mitmacherin ist neu dazugekommen. Der OK Kiel stellt für die Planungsphase seinen Seminarraum sowie ein Telefon zur Verfügung. Es wurden Terminabsprachen mit dem Pressesprecher der Telekom sowie dem Störungsdienst getroffen. Die jungen Filmemacher wurden zu einer Inspektionsfahrt der Techniker durch Kiel und Umgebung eingeladen.

Sendung Zwei Wochen später wurde der Film zu Sendung angemeldet. Auf dem OK-Schnittplatz entstand ein aktueller und spannender Beitrag, besonders aufgrund der eindrucksvollen Bilder „von der Straße“.
Björn Roggensack, OK Kiel

zu 2.A – fiktionaler Rohfilm
„Fly of life“ – ein Musical

Idee Der Jugendchor der Kirchengemeinde Kiel/Wellsee inszenierte ein selbstkomponiertes Musical. Als Bühne und Probenraum nutzt der Jugendchor das Gemeindehaus. Der Chor wünschte sich eine Aufzeichnung des Stückes.

Durchführung Die Jugendredaktion des OK Kiel ist eine seit Herbst 1995 selbständig arbeitende Gruppe. Die Mitarbeiter des OK stellten einen Kontakt zwischen dem Jugendchor und der Jugendredaktion her. Nachdem das mobile Fernsehstudio des Offenen Kanals Kiel reserviert wurde, übernahmen die Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren Kameras, Ton, Aufbau und Organisation der Aufzeichnung. Bei der Regie unterstützte sie ein Mitglied des Chors.

Sendung In dieser bewährten Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen einem Veranstalter und einer Redaktionsgruppe ist im April 1996 einmal mehr ein Musicalmitschnitt entstanden, der am selben Abend im Offenen Kanal gesendet wurde. Die hohe Motivation auf allen Seiten ist bei solchen Aufzeichnungen meist eine Garantie für das Gelingen.
Olaf Mertens, OK Kiel

zu 2.B – gebauter, fiktionaler Film
Verbotene Liebe – soap opera im OK

Idee Inspiriert durch die diversen „soap operas“ der privaten und inzwischen auch öffentlich-rechtlichen Sender entstand zwei Jugendlichen die Idee, eine ironisch-satirische Version einer Folge der ARD-Serie „Verbotene Liebe“ zu produzieren.

Durchführung Das Filmprojekt begann mit der Analyse einer Originalfolge der Serie, beinhaltete also eine theoretische Auseinandersetzung mit Inhalt und Aufbau einer „daily soap“. Die Schauspieler wurden aus dem Freundeskreis der Produzenten engagiert, ein Drehbuch wurde geschrieben, Drehorte gesucht und gefunden – wofür gelegentlich Eltern ausquartiert und Genehmigungen eingeholt werden mußten.

In technisch hoher Qualität entstand ein Fernsehspiel, das mit großem Arbeitsaufwand auf den Schnittplätzen bearbeitet und fertiggestellt wurde. Allerdings gab es zum Original doch einige Unterschiede…

Sendung Die erste soap opera des OK Kiel ging im April über den Sender, natürlich zur besten soap-Sendezeit um 19.00 Uhr. Die satirische Bearbeitung eines solchen Themas garantiert eine intensive und umfassende Auseinandersetzung. Bei diesem Projekt hielten sich Spaß, Lerneffekt und kreatives Schaffen vor und hinter der Kamera die Waage. Die Rückkoppelung der Beteiligten, aber auch vieler Zuschauer, war sehr positiv.
Torben Sachert, OK Kiel

zu 1.C – Dokumentarisches Magazin
Inside Out – Jugendknastfernsehen im OK Bremen

Idee Mit und durch die Hilfe von Multiplikatoren war es im OK Bremen möglich, Medienarbeit auch in nicht dafür prädestinierten Institutionen zu etablieren. Ein Beispiel dafür ist die Videoredaktion in der Jugendvollzugsanstalt Blockland im Bremer Westen, in der 15- bis 23-jährige Strafgefangene einsitzen.

Projekt Studenten der Hochschule für Sozialwesen bereiteten im Rahmen einer Lehrveranstaltung „praxisorientierte Medienarbeit“ in Zusammenarbeit mit dem OK Bremen gemeinsam ein Rahmenprogramm und eine Livesendung vor. Eine von zehn Gruppen war die „Knastgruppe“, bestehend aus 4 Studenten, einem Sozialarbeiter der JVA und ca. 15 inhaftierten Jugendlichen.

Videobeitrag Der Inhalt der Beitrages der „Knastgruppe“ sollte von den Häftlingen selbst bestimmt werden. Einzige Vorgabe war die Leitlinie des Themas der Livesendung „Ich und meine Stadt“ und die Statuten des Offenen Kanals.

Die Häftlinge sollten selbst filmen, schneiden und ggf. mit Musik, Wort und Text unterlegen. Die Inhalte sollten subjektive Sichtweisen wiedergeben, ohne Zensur oder Fremdbestimmung von außen. Die Studenten sollten nur begleitende Funktionen haben und bei Problemen Hilfestellung leisten. Ansonsten sollten sie sich in der Gestaltung des Beitrages zurückhalten.

Das Material, die technische Ausstattung und Know How stellte der Offene Kanal zur Verfügung. Die Nachbearbeitung des Beitrages fand mit dem mobilen Schnittplatz des OK in den Räumen der JVA statt. Dadurch konnten sich auch Nicht-Freigänger an der Produktion beteiligen. Es entstand ein Clip, der versuchte, die alltägliche Stupide des Häftlingsalltags aufzuzeigen. Es wurde der Drogenkonsum in der Anstalt dargestellt, die Gewalt und die allgemeine Langeweile.

Von Seiten der Anstalt wurde der Beitrag, im Nachhinein, noch als zu geschönt empfunden, da die Häftlinge ihre persönliche Lebenssituation positiver dargestellt hatten, als sie wirklich war.

Livesendung Für alle Gruppen des Projektes bestand die Möglichkeit, sich an der Livesendung zu beteiligen. Die Zahl der an der Produktion Beteiligten, inklusive Gäste der Diskussionsrunden, betrug ca. 70 – 80 Personen.

Es gab 2 Tage zur Vorbereitung der Sendung, an denen u.a. auch alle Mitglieder der Videogruppe der JVA teilnahmen. Die Mitglieder der Videogruppe bekamen für die Produktion Sonderurlaub. Die technische Seite dieser Livesendung war fast ausschließlich in der Hand der „Knackis“, die sich außerdem maßgebend an der Dekoration des TV-Studios beteiligten. Desweiteren nahmen die Häftlinge zusammen mit dem Anstaltsleiter und einem Sozialpädagogen an einer der Diskussionsrunden teil.

Fazit Der Beitrag und die Beteiligung der Häftlinge hatte sehr positive Reaktionen auf allen Ebenen hervorgerufen. Die Häftlinge erwarben Kompetenzen im Bereich Fernsehen und Video, sowohl auf der technischen als auch auf der Produktionsseite.

Die Livesendug diente im Rahmen der aktiven Medienarbeit pädagogischen Prozessen und leistete integrative Arbeit. Die Häftlinge genossen die Anerkennung (zu der auch die Aufmerksamkeit der lokalen Medien beitrug). Die Häftlinge konnten neue positiv geleitete Grenzerfahrungen machen, und sich einer Verantwortung, und dem damit ihnen entgegengebrachten Vertrauen stellen. Diese Erfahrungen kannten die jugendlichen Häftlinge aus ihrer bisherigen Sozialisation nur beschränkt. Der Sozialpädagoge der JVA behauptete, daß er seine „Pappenheimer“ noch nie so konzentriert und verantwortungsbewußt erlebt habe.

Es arbeiteten durch diese Produktion Menschen zusammen, für die es sonst keine gemeinsame Basis gegeben hätte. Durch diesen gemeinsamen Prozeß konnten Vorurteile relativiert und neue Rollen erprobt werden. Einer der Häftlinge drückte das so aus: „So viele normale und nette Menschen auf einen Haufen habe ich noch nie gesehen“.
Stephan Hänke, OK Bremen

„Jugend und Schule“ – Thementage im OK Berlin

Projekt Am 27. und 28. April 1996 veranstaltete der OK Berlin die Thementage „Jugend und Schule“. Zwischen 9.00 Uhr morgens und 1.00 Uhr nachts gestalteten Berliner Schulen und Jugendeinrichtungen das Programm im Offenen Kanal.

Sendung In der Zeit von 12.30 Uhr bis 21.00 Uhr wurde „live“ aus allen Studios im Fernsehen und Hörfunk gesendet. Dabei bestimmten die Jugendlichen die Themen und Inhalte der Sendungen, bedienten die Technik selbst, führten die Interviews und moderierten das Live-Programm. Den Abschluß des Liveprogramms am Sonntag bildete eine Talkrunde mit dem Thema „Kein Geld für die Jugend“. Schulen und Jugendeinrichtungen berichteten über die Schließung von Einrichtungen, machten aufmerksam auf die Auswirkungen der Sparmaßnahmen des Senats und diskutierten die Auswirkungen dieser Entwicklung mit den jugendpolitischen Sprechern verschiedener Parteien.

Projektbegleitung Die Thementage gaben Schulen und Jugendeinrichtungen die Gelegenheit, ihre Projekte vorzustellen. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger waren eingeladen, am 27. und 28. April 1996 im Offenen Kanal in der Voltastr. 5 (Wedding) vorbeizukommen und das Geschehen vor Ort live zu erleben. Von diesem Angebot wurde reger Gebrauch gemacht. Das Rahmenprogramm der Veranstaltung bildeten ein Café, Schmink- und Bastelstände sowie Infostände verschiedener Jugendeinrichtungen. Hier bestand die Möglichkeit, sich zu informieren und Kontakte zu knüpfen.

Fazit Die meisten Beteiligten an den Thementagen haben aufgrund der guten Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit dem OK Berlin die Absicht geäußert, mit dieser Einrichtung weiterhin intensiv zusammenzuarbeiten.
Jürgen Linke, OK Berlin

Der Sucht auf die Pelle gerückt – Osterferienseminar für Jugendliche im OK Kiel

Idee Ferien bieten sich für Jugendseminare besonders an, da die Jugendlichen Zeit haben, und sie wenig damit anfangen können. Ich wollte diesmal kein übliches Videoseminar durchführen, bei dem das Thema nur Übungsthema ist, sondern konkrete Medien- und Präventionsarbeit leisten. Die beim Seminar entstandenen Medienprodukte sollten dabei sowohl beim Entstehungsprozeß medial motivieren, als auch zu späterer Arbeit mit anderen einsetzbar sein. Dabei war es erforderlich, das Genre und die Art der produzierten Beiträge so zu wählen, daß das vorgesehene Zeitbudget ausreicht.

Durchführung An fünf Vormittagen während der Osterferien wurden jeweils in kleinen Arbeitsschritten mediale und inhaltliche Arbeitseinheiten durchgeführt, wobei die inhaltliche Arbeit, zumindest was den Input anging, in der ersten Seminarhälfte den Schwerpunkt bildete. In Zusammenarbeit mit dem „Kieler Institut für Suchtprävention“, das einen Suchtberater für den inhaltlichen Teil dieser Arbeit einbrachte, fand der Einstieg in Thema statt, der während der Auseinandersetzung um die mediale Umsetzung vertieft wurde. Die bei Schnittarbeit typischen Fragen („was kommt ‚raus, was bleibt ‚drin?“) stellten dabei eine besonders intensive Art der inhaltlichen Auseinandersetzung dar.

Sendung Im Rahmen einer Magazinsendung der Jugendredaktion im OK Kiel wurde das Ergebnis des Seminars präsentiert und als Aufhänger einer Livediskussion zum Thema mit Gästen genutzt. Auch konnten die SeminarteilnehmerInnen vor der Kamera über das Seminar berichten

Fazit Die Jugendlichen setzten sich inhaltlich durchaus unkonventionell, aber mit großer Intensität, mit dem Thema „Sucht“ auseinander. „Suchtprävention“ konnte hierbei nicht nur durch die Auseinandersetzung mit der Sucht verwirklicht werden, sondern auch durch die entstandenen Spots und deren Veröffentlichung selbst. „Nebenbei“ erlernten die Jugendlichen sowohl den Umgang mit Kamera und Schnitt, als auch Organisation und Durchführung einer Live-Sendung.

Von der 11 Jugendlichen ab 13 Jahren sprangen die 2 Jüngsten vorzeitig ab, da sie mit der inhaltlichen Auseinandersetzung des ernsten Themas überfordert waren. Da ich ähnliche Erfahrungen bei vergleichbaren Medienprojekten anderer Träger gemacht habe, werde ich zukünftige Seminare dieser Art für Jugendliche ab 15 Jahren ausschreiben.

Auch wenn der Aufwand insgesamt sicherlich höher ist als bei einer konventionellen Behandlung des Themas, hat das Ergebnis, sowohl die objektiv entstandenen Produktionen, als auch die subjektiven Erfolgserlebnisse bei den Jugendlichen, diesen Aufwand gerechtfertigt.
Martin Ruppert, OK Kiel

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10 – Rechtskram

Bei der Nutzung von Bürgermedienangeboten, also insbesondere der Sendung von Medienwerken, sind einige Rechtsfragen zu beachten, die hier nur grob skizziert werden können. Neben allgemeinen Gesetzen sind spezielle Fragen des Presserechts, allgemeine Regelungen der jeweiligen Landesmediengesetze sowie besondere Regelungen für Bürgermedien zu beachten.

10.1 Allgemeine Gesetze

Für Sendungen in Bürgersendern gelten natürlich zuallererst die allgemeinen Gesetze. Beleidigungs- und Verleumdungsverbote seien hier beispielhaft genannt. Für diesen ganzen Bereich gilt eine einfache Regel.

Regel Nr. 1: Alles, was man einem Nachbarn unter Zeugen straffrei sagen kann, darf man auch in einer Bürgersendung sagen! Oder: Alles, was man sich vom Nachbarn sagen lassen würde, kann man auch im Bürgersender sagen! (nach Kant)

10.2 Urheberrechtsschutz

Urheberrechtsschutz verlangt zum Schutz der davon lebenden Urheber eine eindeutige Übertragung der Rechte von Produzenten von Werken an diejenigen, die diese Werke weiterverwenden wollen. Dies gilt für Bilder, Töne und bewegte Bilder ebenso. In der Jugendarbeit ist diese Vorschrift unproblematisch anzuwenden. Nach allem ist das Ziel vom Umgang mit Medien in der Jugendarbeit, selbständig kreativ zu arbeiten. Dazu ist die Verwendung der Werke anderer nicht notwendig. Fast alle Themen lassen sich mit eigenen Produktionsmitteln kreativ darstellen. Die dabei erbrachte kreative Leistung ist deutlich größer als der Ein- oder Umbau vorhandener Werke.

Regel Nr. 2: Videoprojekte müssen so ausgestaltet werden, daß die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken nicht notwendig ist. Durch Themenabsprachen etc. kann z.B. erreicht werden, daß nur Drehorte in der Nähe notwendig sind.

10.3 Persönlichkeits- und Hausrechte

Jede Person hat das Recht am eigenen Bild. Jugendliche wissen oft nicht, daß es dieses Recht gibt. Da die Ausnahmen für sog. „Personen der Zeitgeschichte“ in der Rechtsprechung äußerst restriktiv gehandhabt werden, sollte vom Regelfall ausgegangen werden, nämlich daß die befragten und gezeigten Personen mit der Aufnahme einverstanden sind. Diese Einverständniserklärung hat in der Regel vor einem Gespräch oder einer Aufnahme zu erfolgen. Aber auch ein nachträglich ausgedrücktes Nicht-Einverständnis ist ohne Hinterfragung anzuwenden. Besonders problematisch ist das notwendige Einverständnis von Kindern, also von Personen unter 14 Jahren. Hier sind auf jeden Fall die Eltern um Einverständnis zu fragen!

Regel Nr. 3: Jugendliche müssen ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß bei Befragungen das Einverständnis der Befragten oder der Gezeigten vorliegen muß!

Außer auf offener Straße hat, auch in öffentlichen Gebäuden oder Einkaufspassagen, irgend jemand das Hausrecht. Ausschließlich Geschäftsführer, Dienststellenleiter oder andere eindeutig Befugte können Medienarbeiten zulassen, Drehgenehmigungen erteilen.

Regel Nr. 4: Im Zweifel fragen.

10.4 Allgemeine Rundfunkrechte

Die Verantwortung für Sendungen ist nach den gültigen Landesrundfunkgesetzen durchgängig an das Mindestalter von 18 Jahren gebunden. Da die Verantwortung für eine Sendung recht umfangreich sein kann und Jugendliche nicht immer die Folgen sämtlicher eingegangener Verpflichtungen übersehen können, ist diese Regelung durchaus sinnvoll. Auch die Nutzung von Ausleihgeräten in Bürgermedieneinrichtungen, die in der Regel kostenlos ist, ist an Mindestalter gebunden, das zwischen 14 und 18 Jahren liegt. Während jedoch Eltern in der Regel pauschal zustimmen können, daß ihre Kinder zur Ausleihe wertvoller Geräte ermächtigt werden, ist die Übertragung einer möglichen Sendeverantwortung nicht möglich. Die Sendeverantwortung kann nur direkt durch Volljährige erfolgen.

Regel Nr. 5: Projekte in der Jugendarbeit so konzipieren, daß entweder einer der Beteiligten über 18 ist oder der volljährige Gruppenleiter eine notwendige Sendeverantwortung übernehmen kann.

10.5 Spezielle Bürgermedienregelungen

In Bürgersendern ist in der Regel Werbung untersagt. Werbung hat im wesentlichen drei Ausprägungen:

– Wirtschaftswerbung ist die klassische Werbung in Form von Werbespots oder direkten Lobpreisungen von erwerbbaren Gütern oder Dienstleistungen.

– Sponsoring ist die bekannt gemachte Unterstützung einer Sendung.

– Schleichwerbung ist eine gegen Entgelt oder sonstige Gegenleistung vorgebrachte Erwähnung von Waren, Dienstleistungen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren.

Während Wirtschaftswerbung in fast allen Bürgersendern verboten ist, gibt es für andere Werbeformen hier und da Ausnahmen, insbesondere für Sponsoring. Bitte vor der Aufnahme von Aktivitäten mit dem örtlichen Bürgersender die genauen Bedingungen klären, damit nicht „aus Versehen“ die spätere Sendung von erarbeiteten Beiträgen unmöglich wird.

Regel Nr. 6: Sich bei Werbung erst einmal aufs Gefühl verlassen. Alles, was irgendwie wie Werbung aussieht, ist dies meistens auch im rechtlichen Sinne.

Gruppenleiter sollten sich über die rechtliche Verantwortung im klaren sein, die die Ausleihe von Geräten und Produktion von Sendungen mit sich bringt. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, daß die beteiligten Multiplikatoren, Gruppenleiter oder hauptamtlichen Verantwortlichen sich über die Rechtsfragen präzise informieren. Dabei sind in der Regel die Landesmedienanstalten (www.alm.de) behilflich.

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