Offener Kanal im Netz (2001)

Bericht zur Erstellung eines Durchführungskonzeptes zur Einrichtung und den Betrieb eines OK- Servers mit Internetangebot, das nach dem Prinzip des Offenen Kanals allen Bürgerinnen und Bürgern durch freien Zugang eine audiovisuelle, medientypische Nutzung ermöglicht.

Vorgelegt im November 2001
durch Ponton European Media Art Lab
Goseriede 4
30159 Hannover

Inhaltsverzeichnis

1 Offener Kanal
2 Internet
2.1 Zum Verhältnis von Rundfunk und Internet
2.2 Digitalisierung des Rundfunks
2.3 Offener Kanal und Internet

3 Module
3.1 Homepages
3.2 Kalender
3.3 Webmail
3.4 Foren
3.5 Mailinglisten
3.6 Newsletter
3.7 Marktplatz
3.8 Sendeautomation

4 Umsetzung
4.1 Verwaltung
4.1.1 Statisches Verwaltungstool
4.1.2 Dynamisches Verwaltungstool
4.2 Sendungen: Interaktiv
4.2.1 Das Studio Netzwerk
4.2.2 Event-TV
4.2.3 Die Kanäle vernetzen
4.2.4 Remote-TV
4.2.5 Unscharfes um Mitternacht
4.3 Community
4.3.1 On Demand – Archivierung von Sendungen im Internet
4.3.2 Virtuelle Heimat
4.3.3 Die OK-Welt

5 Realisierung
5.1 System Voraussetzungen
5.2 Der Offene-Online-Kanal Kie
5.3 Notwendige Ressourcen
5.2.1 Community System
5.2.2 Redaktion
5.2.3 Archivsystem

6 Weitere Entwicklung
7 Ausblick/Vision

1 Offener Kanal

Die Idee der Offenen KanäleOffene Kanäle schaffen neben etablierten Fernsehsendern, die sich an Einschaltquoten messen, eine Infrastruktur, die es allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, eigene Inhalte in die Kanäle der Massenmedien zu speisen. Offene Kanäle sind Bürgermedien.

Jeder Bürger soll seine eigenen Inhalte bestimmen und mit Unterstützung des OK selbst produzieren. Die Ausstrahlung erfolgt einerseits nach dem Prinzip der „Warteschlange“, d.h. neue Sendungen können nur auf nicht bereits vergebenen Plätzen gesendet werden, und andererseits auf festen Sendeplätzen.

Die gleichberechtigte Nutzung, bzw. Gestaltung von Inhalten macht die Programmvielfalt der Offenen Kanäle aus.

Die in den Offenen Kanälen gesendeten Beiträge entstehen also einzig und allein durch das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern und werden nicht anhand Einschaltquoten oder anderen ökonomischen Prinzipien gemessen oder ausgewählt.

Aufgaben der Offenen Kanäle
Neben der Gewährleistung des gleichberechtigten Zugangs zum jeweiligen Medium vermittelt der Offene Kanal als Rundfunkanstalt Medienkompetenz und Politische Bildung. Hierzu bedient sich der Offenen Kanal des Methode der aktiven Medienarbeit.

Wie jede Rundfunkanstalt will der Offene Kanal Zuschauerinnen und Zuschauer erreichen. Dabei spielen die Anliegen und Interessen seiner Macher – anders als bei privat-kommerziellen oder öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – eine größere Rolle als das Anliegen der Einrichtung an sich. Letztlich muss aber auch der Offene Kanal seinen Platz im Bewusstsein der Bürger als ein Sender unter vielen finden.

Die Vermittlung von Medienkompetenz wird in drei Bereichen geleistet.

  • Sachkompetenz: Die Vermittlung von Wissen über das Medium an sich.
  • Partizipationskompetenz: Die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, selbstbestimmte Inhalte medien­gerecht herstellen zu können.
  • Rezeptionskompetenz: Die Vermittlung von Kenntnissen über die Medienwirkung und über die kritische Auseinandersetzung mit medialen Inhalten und deren Auswirkungen.

Die Vermittlung Politischer Bildung erfolgt durch Abstraktionsprozesse bei der Umwandlung von Ideen in mediale Botschaften und der damit zusammenhängenden Beobachtung des eigenen Umfeldes, der eigenen Person in diesem Umfeld und deren Wirkung auf dieses Umfeld. Diese selbst beobachteten Abstraktionsprozesse führen letztlich zu einem bewussten Erleben der Umwelt und den sie gestaltenden Einflüssen, auch wenn in der Medienpraxis nur einzelne und kleine Schritte gegangen werden können.

Insgesamt zielt die Arbeit Offener Kanäle auf diese Weise auf eine Qualifizierung der Kommunikation in einer sich medial wandelnden Gesellschaft. In der Praxis geht dabei der Weg über Multiplikatoren hin zu „Endverbrauchern“, nicht zuletzt, um vorhandene Mittel möglichst effektiv einsetzen zu können. Der Alltag Offener Kanäle besteht daher zu einem großen Teil aus Bildungsvorgängen und aus Rundfunkpraxis.

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2 Internet

2.1 Zum Verhältnis von Rundfunk und InternetAlexander Bell, der Erfinder des größten Kommunikationsnetzes, war anfangs der Meinung, dass der Wert seiner Erfindung, dem Telefon, darin lag, Nutzern Informationen, Nachrichten und Musik zu übermitteln. Später wurde das Potential der beidseitigen Kommunikation erkannt. Auch beim Internet geht es um die Kommunikation zwischen den Menschen.

Online – Nutzung
Gab es Ende 1998 noch 6,4 Millionen deutsche Onlinenutzer, waren es im Februar 1999 bereits 8,4 Millionen.

Rund 9,5 Millionen Deutsche haben im Oktober 1999 mindestens einmal im Internet gesurft. Das entspricht einem Anteil von knapp 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Fast zwei Drittel der Befragten geht von zu Hause aus online, etwa 40 Prozent vom Arbeitsplatz aus. Die durchschnittliche Online-Sitzung dauert etwa 53 Minuten. Der Betrieb auf dem Netz dürfte in der nächsten Zeit noch wachsen, denn rund 18 Prozent der derzeitigen Nicht-Nutzer, das sind fast 10 Millionen Bundesbürger, planen den Online-Einstieg innerhalb der kommenden sechs Monate.1

Etwa 260 Millionen Menschen nutzten Ende des Jahres 1999 weltweit das Internet. Dies geht aus einer Studie hervor, die die amerikanische Firma Computer Industry Almanac Inc. durchgeführt hat. Die überwiegende Mehrzahl der Internet­nutzer stellen die Vereinigten Staaten mit ca. 110 Millionen, es folgen Japan mit mehr als 18 Millionen und Großbritannien mit knapp 14 Millionen. Deutschland liegt mit etwa zwölf Millionen Internet-Surfern auf Rang fünf. Nach den Schätzungen von Computer Industry Almanac wird die Zahl der Internetnutzer weltweit auf über 490 Millionen zum Jahresende 2002 und mehr als 765 Millionen im Jahr 2005 anwachsen. Dann hätten ca. zwölf Prozent der Welt­bevölkerung Zugang zum Internet.2

Das Internet erreicht mittlerweile über 10% der Gesamtbevölkerung (Stand Ende 1999), Tendenz weiterhin steigend, sodass man nicht mehr von einem „Nischenmedium“ sprechen kann.

Neue Inhalte und Anwendungen bieten zudem über eine einfache Ergänzung der anderen Massenmedien hinaus neue Anreize und Kommunikationsformen. Das Internet ist dabei, sich als Massenmedium zu platzieren und zu etablieren. Erste Präferenz- Verschiebungen seitens der Konsumenten lassen sich beobachten. Eine der Hauptzeiten der privaten Online­Nutzung liegt in den Abendstunden und damit in der TV-Prime Time. Die durchschnittliche Online-Nutzung beträgt ca. 1 Stunde täglich – und geht teilweise zu Lasten der Zeit des Radio- oder des Fernsehkonsums.

TV auch im Internet
Die kommerziellen Anbieter medialer Inhalte haben dieser Entwicklung bereits Rechnung getragen.

Die Präsenz im weltweiten Netz ist für die TV- Sender längst keine Pioniertat mehr, sondern Pflichtprogramm.3

Immer mehr Sender liefern neben den webspezifischen Elementen, wie Hintergrundinformationen, Chat- Foren usw. auch bewegte Bilder aus den laufenden Programmen ins Netz.

Communities
In den Tausenden von Bulletin Bords entstanden Communities, in der sich Menschen zu allen Themen von Computertechnik über Gesundheit, von Politik bis Sport austauschten. Dienste wie Prodigy, CompuServe und America Online erkannten den kommerziellen Reiz von Communities und hatten 1996 bereits mehr als 10 Millionen Kunden. Das Internet wird mit steigender Bandbreite nicht nur als Kommunikations-, sondern auch als Distributionskanal für digitale Film-, Video- und Audioformate genutzt werden.

Vermarktung von Inhalten
Firmen wie filmgarten, canalweb, visono, shorts-wellcome, bitfilm und etliche mehr archivieren ihre Inhalte (Sendungen, Reportagen, Interviews und Musikvideos) im Hinblick auf eine baldige Vermarktung mit Hilfe des Internet. Da es bis heute jedoch noch keine tragfähigen Geschäftsmodelle gibt, sind auch schon einige Vermarkter von Videocontent (den.com, pseudo) gescheitert. Insgesamt ist aber eine baldige Entwicklung solcher Modelle als wahrscheinlich anzusehen. Durch die nicht unerheblichen Investitionen, die bereits getätigt wurden, sowie aufgrund des erwarteten ökonomischen Nutzens ist auch eine schnelle Weiterentwicklung der nötigen Technologie zu erwarten.

Infrastruktur
Aufgrund der bislang (noch) monopolähnlichen Situation seitens der Telekom liegt Deutschland im Bereich des interaktiven digitalen Fernsehen (iDTV) gegenüber seinen europäischen Nachbarn um mindestens zwei Jahre zurück.

Aber mit Abschluss des anteiligen Verkaufs der Telekomnetze und entsprechender Aufrüstung der Netze durch finanzstarke Privatinvestoren wie z.B. der Bertelsmann Broadband group, ist auch hier mit einem schnellen Aufholprozess zu rechnen.

Rundfunk
Fernsehen stellt als das meist konsumierte Massenmedium das „Rückgrat“ der Gesellschaft dar. Mit knapp vier Stunden täglicher Sehdauer setzt sich der Mensch die Hälfte seiner Freizeit medialen Wirklichkeiten aus. Fernsehen dient dabei hauptsächlich als Stimulator des Konsums und bildet eine gemeinsame Mitte der Gesellschaft, die von Industrie und Politik dominiert wird.

Durch die Einführung des dualen Rundfunks in Deutschland hat sich die Medienlandschaft quantitativ zwar erweitert, aber durch den Selektionsfaktor der Einschaltquote (und damit den erzielten Einnahmen durch Werbung) sich in seiner Vielfalt (und dies gilt in jedweder Hinsicht) verringert. Im Wettlauf um die Quote hat sich das Niveau der öffentlich-rechtlichen Anstalten den privaten Sendern immer weiter angepasst, so dass kulturelle Vielfalt und Experimente unmöglich geworden sind. Durch den privaten Rundfunk ist letztlich das Programm zum Werbeumfeld geworden. Es ist deshalb naiv anzunehmen, dass Sponsoren und werbende Wirtschaft keinen Einfluss auf die Inhalte des Rundfunks haben. Somit ist die mediale Wahrnehmung der Wirklichkeit stark durch die kommerziellen Interessen der Wirtschaft geprägt.

Da Rundfunk einerseits eine so große Rolle beim Freizeitbudget spielt, andererseits aber der Zugang zu Rundfunk und damit die Diskussion über Inhalte auf Wenige beschränkt ist, wird ein notwendiger öffentlicher Diskurs durch den Rundfunk in seiner jetzigen Form verhindert.

Offene Kanäle
Ihre Funktion als dritte Säule des Rundfunks, als offene Platt­form für den gesellschaftlichen Diskurs, können Offene Kanäle besonders gut wahrnehmen, wenn interaktive Partizipations­möglichkeiten weit mehr als bisher zur Verfügung stehen. Es bietet sich deshalb für den Offenen Kanal an, die interaktive Struktur des Internet („many to many“) mit den Sende­möglichkeiten des Rundfunks („one to many“) zu verbinden. Die Offenen Kanäle stellen dann einen erweiterten öffentlichen Raum dar, der bis in die Haushalte jedes Bürgers reicht und zugleich von diesen mit medialen Inhalten gefüllt werden kann.

In der Kombination von TV und Internet ist dieser öffentliche Raum für jedermann zugänglich und nutzbar. Internet kann die Offenen Kanäle interaktiv machen, indem es den Rückkanal vom Bürger zum Sender darstellt. Internet ist also keine Alternative zu Offenen Kanälen, sondern eine sinnvolle Ergänzung.
2.2 Digitalisierung des Rundfunks
Das Ende des analogen Fernsehens ist nah, meint Norbert Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten.4

Eine flächendeckende Versorgung mit digitalem Fernsehen und dadurch möglichen Extradiensten prognostizieren die Landesmedienanstalten deutschlandweit bereits ab dem Jahr 2002 (vgl. Spiegel – online 20. Dezember 2000).

Allein im Jahr 2000 wurden in Deutschland über 5,7 Mio. Fernsehgeräte verkauft. Sofern digitale Empfangsgeräte oder Set-Top-Boxen sich auf einem vergleichbaren Preisniveau bewegen, ist mit einem schnellen Einzug der Digitaltechnik in deutsche Haushalte zu rechnen.

Momentan empfangen bereits nahezu 60% der deutschen TV- Haushalte ihr Fernsehprogramm via Kabel. Gerade das Kabelnetz eignet sich bei entsprechendem Ausbau der Kabelknoten für bidirektionale Kommunikation.

Interaktivität
Neben weiteren anderen Folgen der Digitalisierung (Ausweitung der Sendekapazität, Veränderung der Kostenstruktur etc.) wird in Zukunft diese Interaktivität im Rundfunk eine besondere Rolle spielen. Dass dabei der technische Weg des Rückkanals (TV-Kabel, Strom, Telefon, drahtlos, etc.) noch nicht standardisiert ist, spielt für die Diskussion des Prinzips „Interaktivität“ keine Rolle.

Aus der Logik des ökonomischen Zwanges ist nicht zu erwarten, dass die privat-kommerziellen oder öffentlich- rechtlichen Sendeanstalten die durch die Digitalisierung möglich werdende Interaktivität zur Kommunikation mit dem Bürger nutzen werden.

Auch weiterhin wird das Prinzip der „Berieselung“ als Kommunikationsform vorherrschen.

Bei der Nutzung der neuen Technik geht es um den Verkauf und die Verteilung von Massenware und dem daraus resultierenden ökonomischen Nutzen. Eine qualitative, also inhaltliche Veränderung des Angebotes ist nur bedingt abzusehen.

Aufgrund der aus dieser Entwicklung zu erwarteten Folgeerscheinungen ist es für die Offenen Kanäle in doppelter Hinsicht interessanter als je zuvor, sich den Möglichkeiten des Internets zu öffnen und sie sich im Sinne der Interaktivität zu eigen zu machen. Gerade für die Interessen der Nutzer der Offenen Kanäle erhöht die Möglichkeit der Interaktivität die Attraktivität des Programms; und zwar für „Macher“ und für die Zuschauer. Durch Wahrnehmung der Option auf Interaktivität wird in der Aufweichung der Konsumentenrolle hin zum Prosumenten ein weiterer entscheidender Schritt gegangen.

2.3 Offener Kanal und Internet
Spätestens seit Vorlage des Entwurfes eines Saarländischen Mediengesetzes im Frühjahr 2001, das den Offenen Kanal ausschließlich im Internet verbreitet sehen will, befürchten viele OK-Macher, sendetechnisch auf dieses abgedrängt zu werden.

Dr. Hans-Dieter Drewitz (Staatskanzlei Rheinland-Pfalz) kommt 1998 in Berlin5, als er den Wandlungsprozess von der analogen zur digitalen Medienlandschaft kritisch vor dem Hintergrund der Bürgernähe als Grundprinzip der Offenen Kanäle reflektierte, zwar zu der Einschätzung: „Versuche das Internet zumindest als Hilfsinstrument an die Bedürfnisse des Offenen Kanals anzupassen, sind sicher der Mühe wert.“

Ulrich Kamp (ehemals OK-Beauftragter der Landesmedien-anstalt Rheinland-Pfalz) betonte aber 2000 in Berlin6 die ausschließlich komplementäre Funktion des Internets für Rundfunksender, und damit für Offene Kanäle. Er kommt zu der Einschätzung, dass trotz der voranschreitenden Entwicklung, Verbreitung und Kommerzialisierung des Internets es den Rundfunk nicht ersetze. Das Internet könne ein additives Medium zum Rundfunk darstellen, denn kein Sender, der mittlerweile im Internet sende, habe sein Programm on air, im Kabel oder via Satellit eingestellt.

Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung und Verbreitung des Internets bekommen diese Aussagen zusätzliche Relevanz.

Im Offenen Kanal kann das Internet in drei Bereichen eine wichtige Rolle spielen:

  • Bei der Durchführung der Verwaltung oder der Verbesserung von deren Effektivitätbei
  • der Durchführung und Organisation von Sendungen und
  • bei dem Aufbau und der Pflege einer Community.

Bei der im Offenen Kanal notwendigen Verwaltung sollen im Wesentlichen Geschäftsprozesse optimiert und beschleunigt werden. Sowohl die Anmeldung zu Veranstaltungen oder zu Seminaren ist denkbar als auch die Disposition von Geräten, Räumen und Sendezeiten. Geschäftskommunikation per E-mail ist nicht nur schnell, sondern auch kostensparend. E-mails bieten darüber hinaus (Mailinglisten) effektive Arbeits­formen. Die Entgegennahme von Nutzeranmeldungen allerdings ist wegen der notwendigen Authentifizierung via Internet nur schwer durchführbar, ebenso die Abgabe von Sendeanmeldungen.

Sendungen im Offenen Kanal können unterschiedlichst von den Möglichkeiten des Internet profitieren. Audio- und Videostream erlauben die Nutzung von Internetverbindungen zur Bild- und Tonübertragung. Sendungen können archiviert und „on demand“ ausschnittsweise zugänglich gemacht werden. Wünsche zu Sendungen können per Mail abgegeben werden. Darüber hinaus gibt es jedoch additive interaktive Möglichkeiten. Die Sendung vom Sofa per Videostream, Emails oder Chats, die auf dem Sendebildschirm erscheinen, aber auch kreative Bild- und Tonbeteiligungsformen, wie sie auf der „Piazza Virtuale“ auf der documenta 9 praktiziert worden sind, sind durchführbar.

Virtual communities7 können für den Offenen Kanal eine besondere Rolle spielen. Dabei ist zu bedenken, dass „virtual communities“ eigentlich „echte“ Communities sind, die sich in einem virtuellen Raum abspielen. Das Medium Internet erlaubt die Zusammenführung von Menschen gleichen Interesses, die räumlich getrennt sein können, an einem virtuellen Ort. Diese Communities können im Offenen Kanal durch Dienstleistungen (Homepage.OffenerKanal.de oder Email XYZ@OffenerKanal.de) entstehen, aber auch in anderem Rahmen asynchron (z.B. Email-Mailinglisten) oder synchron (z.B. Chat) ins Werk gesetzt werden.


1 Mediagruppe München @facts – November 1999
2 Computer Industry Almanac Inc., www.c-i-a.com/199911iu.htm
3 Jahrbuch der Landesmedienanstalten 1999/2000, S.306
4 vgl. Spiegel – online 20. Dezember 2000
5 Rede auf dem 5. Jahrestreffen Offener Kanäle am 12. September 1998 in Berlin
6 am 23. März 2000 in Berlin anlässlich der Veranstaltung „Der Offene Kanal in Berlin – abschalten oder weiterentwickeln?“
7 vgl. auch Howard Rheingold „Virtual communities“
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3 Module

Technisch können verschiedene Module, die das Internet bietet, für den Offenen Kanal nutzbar gemacht werden.3.1 Homepages
Auf selbstverwalteten Homepages können sich Nutzer und Zuschauer darstellen. Werden von den Nutzern Homepages mit anderen Editoren (Dreamweaver, GoLive etc.) erstellt, können sie hochgeladen und ebenso in die Community eingebunden werden. Angebunden an die Homepages sind die individuellen Sendekalender, das eigene Sendearchiv und ein elektronisches Gästebuch. Durch die Möglichkeit der einfachen und kostenlosen Erstellung von Homepages lassen sich Hintergrundinformationen zu Sendungen oder Themenbereichen einfach verfüg- und abrufbar machen.

Durch „Verlinkungen“ zwischen den Homepages untereinander, auch über Sendegrenzen hinweg, können die einzelnen Offenen Kanäle bzw. deren Nutzerinnen und Nutzer zu einer „großen“ Community zusammenwachsen und voneinander profitieren (Synergie).

Darüber hinaus wird somit eine nicht zu unterschätzende öffentlichkeitswirksame Wirkung erzielt – gerade innerhalb der jüngeren Bevölkerung erfreut sich das Internet immer größerer Beliebtheit.

→ Benötigt wird ein Homepagebaukasten, mit dem jeder ohne fremde Hilfe seine eigene Internetpräsentation erstellen und jederzeit verändern kann.

3.2 Kalender
Sendungen und Zusatzinformationen können von Nutzern und der OK-Disposition eingetragen werden. Von Zuhause können OK Nutzer, die mit ihrer Registrierung einen Usernamen und ein Passwort erhalten, die Anmeldung von Sendungen bequem vornehmen. Die Kalenderdatenbank erkennt ob der gewünschte Sendetermin noch frei ist und ermöglicht gegebenenfalls neue Termine zu finden. Wenn die Sendezeit der Nutzer limitiert ist, kann die Kalender Datenbank die restliche verfügbare Sendezeit dem Nutzer anzeigen.→ Es ist ein Datenbanksystem erforderlich, das
Dispositionen ermöglicht.

3.3 Webmail
Email ist die beliebteste Kommunikationsform im Internet. Durch die Webmail-Funktion kann jeder eine eigene Email Adresse erhalten und von jedem internetfähigen PC Nachrichten versenden und lesen. Da eine Email Adresse den Namen des Internetangebotes beinhaltet und man viele Menschen einfach erreichen kann, bietet sich diese Funktion zu PR Zwecken an. Im Foyer des Offenen Kanal könnten PCs stehen, an denen Nutzer ihre Mails lesen können.

→ Software und Speicherplatz für Webmail sind erforderlich.

3.4 Foren
In verschiedenen Diskussionsforen können Nutzer mit Nutzern, Nutzer mit Zuschauern und Zuschauer mit Zuschauern sich über Sendungen, Sendetechnik und Erfahrungen sowie Informationen austauschen und diskutieren. Die einzelnen Beiträge sind auf einer Internetseite zu lesen. In den Foren könnten auch die Nutzer anderer Offener Kanäle miteinander diskutieren. Themen für solche Foren werden von einer Redaktion vorgeschlagen oder ergeben sich aus den Bedürfnissen der Mitglieder.

→ Die Einrichtung von Foren erfordert ein selbstverwaltetes Administrationstool.

3.5 Mailinglisten
Mitglieder können eigene Mailinglisten anlegen. Diskutiert wird per Email. In solchen Listen werden Emails von Teilnehmern an alle anderen Teilnehmer der Liste verschickt. Im Prinzip gibt es zwei Sorten von Mailinglisten: Moderierte, in denen der „Besitzer“ der Liste die Anmeldungen und Beiträge filtert, und unmoderierte, in die alle hineinschreiben können. Auf diesem Wege ließe sich die Kommunikation zwischen der Sende­leitung, den „Machern“ von Beiträgen und anderen Interessierten auf unkomplizierte Weise umsetzen. Wie bei den Foren stellen auch Mailinglisten eine gute Lösung dar, um den Informationsaustausch zwischen den Nutzern verschiedener Offener Kanäle und anderen Interessierten einfach und schnell zu gewährleisten.

→ Administration, Software und Speicherplatz werden benötigt.

3.6 Newsletter
In eigenen Newslettern können Mitglieder Abonnentenlisten anlegen und sie so über aktuelle Themen informieren.

Genauso lassen sich Programmankündigungen oder kurz­fristige Änderungen usw. auf diesem Wege kostengünstig und schnell verbreiten. Auch eine Art „Online OK- Zeitung“ für Mitglieder und Interessierte ist denkbar.

→ Administration, Software und Speicherplatz werden benötigt.

3.7 Marktplatz
Im Markplatz können Jobs, Praktikumplätze auf der einen Seite und Equipment auf der anderen Seite angeboten und gesucht werden. Verschiedene Rubriken wie Kleinanzeigen etc. sind ebenfalls denkbar.

→ Administration, Software und Speicherplatz werden benötigt.

3.8 Sendeautomation
Für bestimmte Sendungen, die via Videostream extern zugeliefert werden, ist ein System sinnvoll, das eine per Internet bedienbare Sendezeitdisposition kombiniert mit einer Authentizitätsprüfung und in der Folge einen vorher reservierten externen Sendeweg freischaltet. Das „Senden vom Sofa“ ist dann auch ausserhalb der Öffnungszeiten des Offenen Kanals möglich.

→ Administration, Software und Speicherplatz werden benötigt.
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4 Umsetzung

4.1 Verwaltung
Der Offene Kanal kommt, zumal er mit der Verbreitung von Rundfunk gesetzlich definierte Aufgaben wahrnimmt, nicht an der präzisen Verwaltung von Daten und Vorgängen vorbei. Insbesondere sind dies:

  • Verwaltung von Nutzerdaten einschliesslich von Mailing-Aktionen,
  • Disposition von Geräten, Schnitt- und Studiokapazitäten sowie von Sendezeit,
  • Planung und Durchführung von Veranstaltungen,
  • Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere Verbreitung von Programmhinweisen,
  • übliche Geschäftkommunikation,
  • Mitarbeiterverwaltung und -kommunikation

4.1.1 Statisches Verwaltungstool
Im OK-Alltag hat sich der Einsatz von E-Mails zur Betreuung von Nutzerinnen und Nutzern sowie für die Öffentlichkeits­arbeit bereits bewährt. Eine Datenbank gestützte

  • Gerätedisposition
  • Schnittplatz- und Studiodisposition und
  • Sendezeitdisposition

böte gleichermassen die Möglichkeit der Effektivierung dieser Verwaltungsvorgänge an sich als auch die Öffnung via Internet an die Nutzerinnen und Nutzer und damit eine Entlastung des Personals. Inwieweit wegen der notwendigen Authentifizierung von Personendaten via Internet dies allerdings rechtlich möglich ist, kann nicht beurteilt werden.

4.1.2 Dynamisches Verwaltungstool
Die oben beschriebene automatisierte Sendeabwicklung8 ist gleichzeitig eine verwaltungstechnisch dynamische Lösung, denn mit der Authentifizierung der Nutzerinnen und Nutzer ist automatisch die Durchführung eines Verwaltungsaktes und in der Folge einer Sendung verbunden.

Auch z.B. die Anmeldung zu Seminaren per Mail könnte nach einer Authentifizierung, der eine Datenbank gesteuerte Kapazitätsabfrage nachgeschaltet ist, automatisch zu einer Anmeldung bis hin zur Erstellung einer Teilnehmerliste und sogar Teilnahmebescheinigung führen. Willentliche Steuerungen der Zusammensetzung des Teilnehmerkreises eines Seminars aber sind dadurch natürlich nicht einfach.

4.2 Sendungen: Interaktiv
Heute ist es üblich, dass die Nutzer des Offenen Kanals Sendungen vor Ort live produzieren oder eine bereits produzierte Sendung als Kassette abgeben, die dann zu dem entsprechen Zeitpunkt gesendet wird.Durch neue Breitbanddienste wird es in Zukunft möglich sein, Videofilme über das Internet von zu Hause anzusehen. Über dieselben Netze und Verfahren kann man ebenso Dateien hochladen und streamen. Jeder kann dann seine selbst produzierten Video und Audioprogramme mit Hilfe eines herkömmlichen Home PCs live im Internet und somit auch im Offenen Kanal senden.

Neben dem PC mit einem Video- oder Audio-Encoder benötigt man dazu noch eine TV-Videokarte und eine Videoquelle, wie einen Rekorder oder eine Kamera. Es können interaktive Fernsehsendungen produziert und von bisher nicht sendefähigen Orten wie Theater, Konzerthallen oder von zuhause im Offenen Kanal ausgestrahlt werden. Als besonders sinnvoll hat sich hier eine kompakte Konfiguration der benötigten Komponenten in einem sogenannten Broadcastkoffer9 erwiesen.

Interaktive Funktionen wie Email und Chat bringen den Macher in Kontakt mit seinem Zuschauer.

Vier beispielhafte Anwendungen machen deutlich, welche Möglichkeiten durch den externen Zugriff vorstellbar sind.

4.2.1 Das Studio Netzwerk
Ein zentrales Studio, wie es bei Sendern üblich ist, hat neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Vorteil der sozialen Vernetzung. Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass manche potentiellen Nutzergruppen sich nicht angesprochen fühlen. Das Internet bietet die Möglichkeit, günstige Studios in Partnerschaft mit existierenden Gruppen, Initiativen, Universitäten etc. einzurichten. Dazu benötigt es neben der Aufnahme und Zuspieltechnik nur noch den Internetanschluss, um die Produktionen zu senden.

Die Verantwortung und die Kosten können somit auf ein Netzwerk von Partnern verteilt werden. Die Zahl der potentiellen Nutzer multipliziert sich, die neuen Sender können ihre eigenen Strukturen beibehalten.

4.2.2 Event TV
Theater, Opern, Konzerthallen veranstalten kulturelle Programme, die ausschließlich live und Vorort zu sehen sind. Durch die Installation einer Videokamera, eines PCs und einen Internetanschlusses lassen sich Veranstaltungen live im Internet und im Offenen Kanal senden.

Außerdem könnte ein mobiles Sendeteam3 mit einer portablen Übertragungseinheit von wechselnden Orten die Veranstaltung live senden.

Der Nachrichtensender N-TV plant zum Beispiel die Ausstrahlung einer Vielzahl von politisch oder wirtschaftlich interessanten Veranstaltungen, die über TDSL, das Breitbandnetz der Telekom, im Internet gesendet werden sollen.

4.2.3 Die Kanäle vernetzen
Die Zuspielung und Partizipation über das Internet ist natürlich nicht auf das normale Einzugsgebiet des Offenen Kanals beschränkt.

So könnte zum Beispiel eine Sendung zum Thema Schach live im Offenen Kanal Kiel und im Offenen Kanal Amsterdam gesendet werden. Über ein Chatmodul könnten dann die deutschen und holländischen Zuschauer miteinander über die Sendung diskutieren.

4.2.4 Remote TV – Prototyp eines partizipatorischen Sendeformats
Ziel von Remote TV ist eine interaktive Fernsehplattform, die den Zuschauer aus seiner passiven Rolle herausholen und ihn zum Macher eigener Sendeinhalte werden lassen.
Jeder soll von zu Hause aus über das Internet kulturelle Inhalte in Form von Videos, Bildern, Tönen, Texte und Animationen ins Fernsehen spielen können. Parallel dazu besteht die Möglichkeit, sich in den Live-Chat einzuschalten oder die Kommunikation einfach über den Offenen Kanal im Kieler Kabelfernsehen zu verfolgen.

Das bedeutet, dass die Nutzer des Offenen Kanal Kiel selbst interaktive Fernsehsendungen produzieren können, die sowohl im Kieler Kabelnetz mit 170.000 angeschlossenen Haushalten und als auch weltweit im Internet zu sehen sind.

Jede Nacht zur gleichen Zeit erscheinen kulturelle Inhalte als Videos, Bilder, Töne, Texte und Animationen auf dem Bildschirm. Inhalte können aus Kiel und der ganzen Welt live über das Internet eingespielt werden.

Für den Zuschauer wird die Entwicklung des offenen Experiments zu beobachten sein. Er kann eingreifen und die Sendung mitgestalten. Der Zuschauer wird zum Redakteur seiner eigenen Inhalte.

Die Sendungen werden von einem Moderator betreut, der Themenvorschläge der Zuschauer bündelt oder Schwerpunkte festlegt. Jeder Zuschauer hat die Möglichkeit, die Plattform zu nutzen, um Video, Text und Ton über das Internet auf „OK TV-Radio“ zu senden.

Ziel ist eine offene Plattform mit einer möglichst großen Vielfalt an kulturellen Inhalten. Es ließen sich interaktive Formate entwickeln, die Radio, Internet und Fernsehen auf Basis einer Offenen Plattform zusammenbringen können.

Sendeverantwortung: Die Redaktion begleitet die einzelnen nächtlichen Sendungen mit einem eigenem Steuerungs-Interface und kann gegebenenfalls eingreifen. Sendeverantwortlich ist der jeweilige Redakteur.

Technik: Notwendig wäre ein PC mit Videoausgang und Internetanbindung, der in der OK-Kiel Sendeabwicklung stehen könnte. Dieser Rechner bräuchte lediglich einen Internet-Browser mit Real, Flash und anderen Plug-ins. Das vom Rechner erzeugte Bild würde dann einfach als Video­signal direkt in den Sender eingespeist. Der TV-Bildschirm würde die Elemente Textchat, Video- und Bildfenster mit Beschreibungszeile und URL, Textfenster, Uhrzeit anzeigen können. Interessierte Zuschauer könnten dann einen Web­server anwählen, der das Interface zur Sendung zeigt und erklärt, wie Zuschauer Inhalte in die Sendungen einspielen können.

4.2.5 Unscharfes um Mitternacht
Jens Schröder beschreibt ein erlebnisreiches Projekt in der Berliner Zeitung vom 6. April 200011.

Vom Wohnzimmer ins Internet ins Fernsehen ins Wohnzimmer: der Berliner Kulturserver
Es ist Mitternacht. In der Altbau-Wohnung von Klaas Glenewinkel in Prenzlauer Berg macht sich fröhliche Aufregung breit. Fünfzehn Mitglieder der Berliner Clubmusik-Szene tummeln sich in den hell erleuchteten, hohen Räumen. DJ Alex trägt ein rosa Polo-Hemd und läuft in Socken über die von Kabelsalat bedeckten Holzdielen. „Hier ist Radio Twen FM“, haucht er ins Mikrofon. „Wir senden live in Radio, Fernsehen und Internet. Und ich glaube, wir senden sogar auf Handys und Tamagotchis.“

Alex und der Piratensender Twen FM sind Teil eines bisher einzigartigen Projektes, das das Massenmedium Fernsehen mit dem Internet verbindet: Die Diskjockeys des kürzlich von der Polizei geschlossenen Piratensenders machen wie gehabt ihr Radioprogramm – bloß diesmal legal. Dabei werden sie von einer Webcam gefilmt. Die Bilder von den Radiomachern werden samt Musik live ins Internet gespeist. Von dort holt sich der Internet-Rechner im Offenen Kanal Berlin das Material. Er projiziert das bebilderte Radioprogramm aus dem Netz direkt ins Fernsehen: Eine gänzlich neuartige Verschränkung der elektronischen Medien.

Und als ob das noch nicht kompliziert genug wäre, haben die Initiatoren des „Kulturserver Radio-TV“ noch zwei interaktive Komponenten in ihr Projekt eingebaut. Das aus dem Internet gespeiste Fernsehbild ist in drei Bereiche unterteilt: Neben den Live-Bildern aus dem Studio strahlt der Offene Kanal im unteren Bildschirmteil ein Chat-Fenster aus. Und links oben kann jeder Surfer seine Lieblingsgrafiken oder Animationen von seinem PC aus in ein drittes Fenster „hineinladen“ – die Zuschauer können also von zu Hause aus direkt in das Fernsehprogramm des Offenen Kanals eingreifen. Das Ergebnis dieses Experiments ist jede Nacht nach Sende-schluss zwischen 0 und 2 Uhr im Offenen Kanal zu besichtigen. „Your TV has been hacked!“

Den Beteiligten in Glenewinkels Wohnung ist klar, dass bei einem Experiment nicht immer alles klappen muss: Nach der ersten halben Stunde stürzt der Netz-Computer im Offenen Kanal bereits zum zweitenmal ab, das Live-Fernsehbild wird schwarz, ein paar Windows Icons erscheinen, der Rechner wird wieder hochgefahren. Statt Hektik löst die Panne unter den DJs nur Heiterkeit aus: „Die Leute finden das doch witzig. Beim ZDF ist noch nie was abgestürzt.“

Doch selbst wenn technisch alles klappt, ist das Ergebnis auf dem Bildschirm weit entfernt von einem normalen Fernsehbild. „Your TV has been hacked“ steht dann in roten Buchstaben zwischen den verschiedenen Fenstern auf dem Schirm. Und genauso sieht es auch aus: Das Chat-Fenster strahlt BTX-Charme aus, das ruckelnde Video-Bild erfasst die DJs meist in Bauchhöhe. Außerdem, das gibt Glenewinkel gerne zu, „sieht das Bild so unscharf aus, als hätte man den grauen Star“. Für den Projekt-Koordinator ist das aber alles kein Problem: „So ist eben das Internet heute, wir wollen das gar nicht verstecken. Das gehört zur Gesamt-Ästhetik. Je schneller die Computerchips und die Leitungen werden, desto besser wird die Qualität dieser neuen Sendeform.“

Die Zuschauer im Internet-Chat scheint die schräge Gesamt-Ästhetik jedenfalls nicht zu stören, auch wenn ein Chatter namens „Clang“ sich einmal erkundigt, ob „das hier ein fucking Trance Chat“ sei. Fast 50 Zuschauer des Offenen Kanals füllen das Feld unter dem unscharfen Videobild von ihren Heim-PCs aus mit ihren Kommentaren.

Einige haben es sogar schon geschafft, eigene Bilddateien über das Netz in das Programm und damit ins Fernsehen „hochzuladen“, obwohl das bislang noch einige Computerkenntnisse voraussetzt. Glenewinkel hält das Projekt mit allen Macken für revolutionär: „Ein Fernsehprogramm, dass sich direkt aus dem Internet steuern lässt, hat es bisher noch nicht gegeben.“

In Glenewinkels Wohnung an der Schönhauser Allee ist inzwischen MC Tweed am Mikrofon und verspricht den Zuschauern des Offenen Kanals „neue Platten, die wir noch nie zu hören hatten.“ Tweed ist Mitglied der Piraten-Crew von Radio Twen FM und kommt gerade von seinem Job als Hotelpage.

Nachdem die Polizei das alte Twen FM Studio Anfang März in einer nächtlichen Razzia dicht gemacht hat, ist das „Kulturserver“ Projekt für ihn die einzige Möglichkeit, um seine gewohnten zwei Sendungen pro Woche zu gestalten. Es ist schon komisch: Bis vor einer Woche wurde Tweed noch polizeilich verboten, die Bezirke Mitte und Prenzlauer Berg mit Clubsound zu versorgen. Heute können 1,4 Millionen Berliner Fernsehzuschauer seine Sendung ganz legal über das Berliner Kabelnetz empfangen.

Das geht auch in Tokio.
Und vielleicht bald auch anderswo, denn revolutionär sind an dem Projekt vor allem die geringen Sendekosten in dem sonst konkurrenzlos teuren Medium Fernsehen: Da die Bilder direkt aus dem Internet kommen, kann das Programm ohne Satellit und teure Technik weltweit von Computern empfangen und über einen Sender ausgestrahlt werden.

Glenewinkel erklärt: „Wie der Offene Kanal Berlin kann jeder Fernsehsender in Hamburg oder Tokio unser Programm ausstrahlen. Und das, obwohl wir nur Amateurtechnik haben.“

Für die Offenen Kanäle in Deutschland ist das Prinzip möglicherweise der rettende frische Wind. Mit mehreren Betreibern hat Glenewinkel schon verhandelt. Die Verantwortlichen in Wolfsburg, Flensburg und Kiel wollen bald die Berliner DJs nach Mitternacht ins Programm nehmen. Ein Amsterdamer Sender habe ebenfalls Interesse angemeldet.

Glenewinkel: „Die Offenen Kanäle sind schlafende Prinzessinnen. Nach Mitternacht haben die alle freie Sendeplätze, die man sonst nirgendwo bekommt. Da kann man etwas draus machen, an dem sich die Zuschauer aktiv beteiligen können.“ Dies stärke die Existenzberechtigung der Offenen Kanäle, die in letzter Zeit gerade in Berlin immer wieder in Frage gestellt werde.

Hip-Hopper mit Dobermännern
In Klaas Glenewinkels Wohnung geht das Programm für heute Nacht zu Ende. Es läuft ein Stück von AC/DC. Der Mann am Mikrofon ist durstig geworden vom Sprechen in so vielen Medien, aber der Hausherr muss passen: „Im Kühlschrank habe ich nur Milch, Ketchup und Sprühsahne. Ehrlich.“ Genauso sparsam wie die Kühlschrankfüllung ist die Programmplanung: Wer morgen das Programm gestaltet, wird sich zeigen. Vielleicht kommt MC Tweed wieder vorbei, wenn er in seinem Job als Hotelpage Dienstschluss hat. Oder die 50 Hip-Hopper von vorgestern schauen noch mal mit ihren Dobermännern rein. Oder die Zuschauer machen mal was eigenes und schicken Sound-Dateien und Videos.

Apropos Videos: DJ Alex hat genug von den Bildern der Webcam. Wenn die Zuschauer keine eigenen Film-Schnipsel ins Musikprogramm einspeisen, dann muss er das eben selbst in die Hand nehmen. Dazu hat er auch sein Lieblings-Video dabei, das er in den Videorekorder steckt: „Macho Man“ mit René Weller. Gott sei Dank bleibt das Bild weiter unscharf.

KULTURSERVICE Geh selbst auf Sendung // Seit dem 1. April zeigt das Berliner Netzprojekt „Kulturserver“ Internet im Fernsehen. Motto: „Geh selbst auf Sendung!“

„Kulturserver TV“ ist im Berliner Offenen Kanal zu sehen.

Das Konzept des „Kulturservers“ stammt von der Künstlergruppe Ponton. Bei der documenta 8 produzierte Ponton 1992 „Piazza Virtuale“, ein Vorläufer von „Kulturserver TV“. Das interaktive Fernsehkunst-Projekt war hundert Tage lang im Nachtprogramm von 3Sat, ORF und SRG zu sehen.

Kulturserver TV jede Nacht ab 24 Uhr im Offenen Kanal Berlin oder im Internet: www. kulturserver. de/tv

4.3 Community
Der Offene Kanal selbst ist bereits eine Community. Nutzer treffen sich im Studio, tauschen Erfahrungen über Produktion, Technik und Inhalte aus und machen gemeinsam Sendungen. Die Zuschauer erfahren über die Möglichkeiten der eigenen Fernsehproduktion und werden selbst zu Produzenten. Ohne die soziale Komponente einer Community gäbe es den Offenen Kanal nicht. Die Macht der Offenen Kanäle liegt nicht in der Wirtschaftlichkeit, sondern in seinen Nutzern und Zuschauern. Wie die Offenen Kanäle ist auch das Internet ein Bürgermedium.

Die Community des Offenen Kanals sollte Funktionen anbieten, die es den Nutzern und den Zuschauern ermöglicht sich und ihre Ideen darzustellen und miteinander auf einfache Art zu kommunizieren. Im folgenden werden Funktionalitäten vorgeschlagen, die eine Community im Internet ermöglichen. Alle Funktionen sind für den Benutzer über ein Usernamen und Passwort gesichert. Veröffentlichen und Lesen in diesem System sollte kostenlos sein.

4.3.1 On Demand – Archivierung von Sendungen im Internet
Die Archivierung im Internet ermöglicht die weltweite Verfügbarkeit von Audio- und Video- Dateien. Durch Internet, Digital TV, Wireless communication, E-books etc. wächst der Bedarf an digitalem Content. Höhere Bandbreiten und Medienkonvergenz werden digitale Inhalte für jeden nutzbar machen.

Bilder, Texte, Töne und Videos können heute einfach und schnell über jeden internetfähigen PC angeboten und runtergeladen werden. Die wachsende Verbreitung des Internets und seine zunehmend einfache Benutzung ermöglichen es jedem, digitalen Content zu verbreiten. Im Internet-Zeitalter kann Content unter anderen ökonomischen Gesetzen produziert und vertrieben werden. Die Verbreitung von Content ist nicht länger von vordefinierten Distributionskanälen abhängig.

Stephen King, die Popband Smashing Pumpkins (die ihr letztes Album nur über das Internet zum kostenlosen Download anbot), oder MP3.com und andere beweisen, dass Kulturdistribution neu definiert wird.

Der Bedarf an spannenden digitalen Inhalten wächst rapide. Da die herkömmliche Produktion und der Vertrieb von Content umständlich und teuer ist, gelangt jedoch nur ein Bruchteil der Produkte an den Endkunden. Der größte Teil der Inhalte bleibt außerhalb der Kulturdistribution und wird nicht vermarktet, unentdeckt verbleibt er in kleinen regionalen Strukturen.

Die Einrichtung eines Archivservers ermöglicht den On-Demand Zugriff auf Produktionen der OK Nutzer. Im Prinzip gibt es für Audio- und Videofiles zwei Verfahren der Bereitstellung. Das Prinzip des Download und des Streaming:

  • Die für das Internet komprimierten Dateien (wav,avi,mp3 etc.) müssen vom Archivserver runtergeladen werden. Die Qualität ist zwar im Prinzip besser, jedoch ist durch die höhere Datenmenge eine längere Downloadzeit und eine größerer Speicher des Archivs notwendig.
  • Die andere Variante ist das sogenannte Streaming. Hier werden die Daten in kleinen Datenpaketen hintereinander an den User verschickt. Ohne das gesamte File runterzuladen kann Audio und Video live angesehen werden. Ein Verfahren, welches bei längeren Sendungen empfehlenswert ist.

Der Vorgang der Archivierung
Mit Hilfe einfacher Entcodierungssoftware können die Nutzer selbst ihre Sendungen über eine einfach zu bedienende Internetoberfläche ins Archiv stellen (manueller Datei-upload. Die Sendungen sind dann über das Internet jederzeit abrufbar.

Um diesen Vorgang zu automatisieren wird eine Steuerungssoftware programmiert (automatischer Datei-upload), die es der Sendeabwicklung ermöglicht, per Mausklick die zu archivierenden Sendung festzulegen. Beim Senden werden diese automatisch digitalisiert, encodiert und zu dem Fileserver(Archiv) hochgeschickt (upload).

Eine entsprechende Software wird gerade für den Kulturserver in Berlin entwickelt und ist als Betaversion schon erfolgreich getestet worden.

4.3.2 Virtuelle Heimat
Eine Community braucht eine Heimat, die Heimat der OK-Community ist der Offene Kanal. Zur Heimat gehören Identität, Lebensqualität und Erfahrung. Der Offene Kanal kann mit spezifischen Online-Angeboten seinen Nutzerinnen und Nutzern neben der realen eine virtuelle Heimat bieten (und dabei Medienkompetenz vermitteln).

  • Identität: Wer seine Homepage beim OK-Server hat, gehört zur OK-Community, ebenso wie der, der seine e-mail-Adresse @Offener Kanal hat.
  • Lebensqualität vermittelt sich in einer virtuellen Community über die Sinnhaftigkeit und Nutzbarkeit des Online-Angebotes.
  • Einfache Bedienoberflächen sind dabei ebenso notwendig wie zuverlässige und zeitgemässe Konzepte. Erfahrung verbindet sich dann positiv mit der Institution „Offener Kanal“, wenn diese Erfahrung gut war. Das OK-Online-Angebot muss also Probleme lösen, nicht bereiten.

4.3.3 Die OK-Welt
Die Gemeinsamkeiten aller, die Offene Kanäle nutzen oder bei ihnen beschäftigt sind, können durch gemeinsame virtuelle Angebote auch als Gemeinsamkeiten erlebt werden. Chats und Foren zu OK-spezifischenThemen, Hilfsangebote für den OK-Alltag, Erfahrungsaustausch, Hinweise auf spannende Online-Sendungen, Programmaustausch – vieles ist online möglich.

Da unter „buergerrundfunk.de“ ein derartiges Konzept bereits entwickelt wird, wird an dieser Stelle darauf nicht weiter eingegangen. Einige Module, die sich aus dieser Studie ergeben, könnten aber bei „buergerrundfunk.de“ angesiedelt werden.


8  s. 3.8 Sendeautomation
9 s. auch Kalkulation „Broadcastkoffer“
10s. auch Kalkulation „Webreporter“
11 berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/2000/0406/medien/0005
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5 Realisierung

5.1 SystemvoraussetzungenWelche Anforderungen muss ein System erfüllen, damit die Offenen Kanäle das Internet nutzerfreundlich in ihre Arbeit integrieren können?

  • Einfach zu bedienende Standardtools wie Homepagebaukästen, Veranstaltungskalender, Webmail und Streamingserver.
  • Die automatische Archivierung von Sendungen in digitaler Form mit Abrufmöglichkeiten über das Internet, dazu Indexierungstools, um Sendungen finden zu können.
  • Sendeanmeldungen von jedem Internet-PC für ein­ge­tragene Nutzer des Senders (Username/Passwort-Login).
  • Automatische Zuweisung eines einmaligen Streamnamens für jede Sendung durch das System.
  • Verwaltung der Nutzer und Sendungen durch den Sender via Webinterface.
  • Automatische Archivierungsfunktion für Livestreams durch den Realserver und nachträglich Archivierung von mitgeschnittenen Sendungen durch Uploadfunktion.
  • Die Software stellt archivierte Sendungen on Demand für jeden Besucher der Website zur Verfügung.
  • Das integrierte Chatsystem kann auf Wunsch des Sendenden ein- und ausgeblendet werden.
  • Für den Sender besteht die Möglichkeit der Fernzensur für illegale Inhalte.
  • Das System stellt dem Sender einen Screen für die direkte Abnahme des PAL Signals zur Verfügung mit automatischer Sendeumschaltung.

Als Ponton – Lab und Kulturserver möchten wir anbieten, gemeinsam mit den Offenen Kanälen ein solches System zu entwickeln und deutschlandweit zu betreiben.

5.2 Der Offene – Online – Kanal – Kiel

5.3 Notwendige Ressourcen5.3.1 Communitysystem
Zur Integration eines Internetangebotes des Offenen Kanals nach dem Gedanken der online Community schlagen wir zwei Alternativen vor. Die eine (Variante A), sieht die Programmierung einer eigenen Softwareumgebung vor und wird auf einem eigenen Webserver direkt vor Ort installiert.Die andere Alternative (Variante B) sieht den Erwerb einer Nutzungslizenz der bereits betriebenen Kulturserver Software vor. Hierbei ist die Anschaffung eigener Hardware nicht von Nöten.

Variante A: Erstellung eines eigenen Communitysystems
Nach dieser Variante ist die Programmierung eines eigenen Communitysystems mit den von uns zuvor beschriebenen Möglichkeiten (Chat, Webmail, Homepagebaukasten, etc.) vorgesehen. Hinzu kommt die grafische Gestaltung und Anschaffung der notwendigen Hardware.

Je nachdem welcher Server angeschafft werden soll, ist der Raumbedarf zu veranschlagen. Bei der preiswerteren Möglichkeit ist der Server so groß wie ein normaler PC-Tower und benötigt keine große Stellfläche.

Soll ein Serverschrank zum Einsatz gebracht werden, ist es ratsam, diesen wegen der nicht unerheblichen Geräuschentwicklung in einem Extraraum unterzubringen.

Variante B: Erwerb einer Nutzungslizenz des Kulturservers incl. Systemintegration, Designanpassung und Updates

Diese Variante basiert auf dem Erwerb einer Nutzungslizenz der Kulturserversoftware. Der OK wird in das bestehende Kulturserversystem integriert. Die Software wird den Belangen des Offenen Kanals angepasst und entsprechend grafisch gestaltet. Die Anschaffung eigener Hardware entfällt und darüber hinaus werden Wartung, Betreuung und Administration und alle damit zusammenhängenden Aufgaben von Ponton übernommen. Außerdem werden alle Weiterentwicklungen der Software automatisch in das System integriert.

Zusätzlicher Raumbedarf entsteht hierbei nicht, da sämtliche Hardware in den Räumen von Ponton untergebracht sind.

5.2.3 Redaktion
Um alle anfallenden „neuen“ Aufgaben auch adäquat umzusetzen, ist es unserer Meinung nach empfehlenswert, einen Redakteur mit der Betreuung des Internetangebotes zu betreuen.

Arbeitsplatz
Dieser Redakteur sollte als fester Ansprechpartner (in Form einer Vollzeitstelle) zur Verfügung stehen. Ein eigener Arbeitsplatz mit Telefonanschluß, PC und Internetzugang sind ebenfalls zu berücksichtigen. Ob ein eigenes Büro oder die Integration in ein bestehendes Großraumbüro zu bevorzugen sind, hängt von den Gegebenheiten vor Ort ab.

Aufgaben einer Kieler Redaktion
Der Redakteur ist die Brücke zwischen dem Internetprojekt und den Nutzern. Die Aufgaben liegen im wesentlichen in folgenden Punkten:

  • Hotline für die NutzerWorkshops,
  • Vorträge
  • Cross Marketing mit anderen Internet-Plattformen
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Kooperationen mit Zeitungen, Fernsehsendern, Radiosendern
  • Erstellen von Onlinetexten
  • Aufbau einer Online Vernetzung mit den anderen Offenen Kanälen
  • Entwicklung von neuen interaktiven Formaten

Die Qualifikationen der Redaktion

Folgende Erfahrungen bzw. Qualifikationen sollte der Redakteur mitbringen:

  • Erfahrungen in TV Produktion (OK)

  • Erfahrungen in der Formatentwicklung

  • Journalistische Praxis

  • Erfahrungen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit

  • Erfahrungen im Bereich HTML; Real-encoding,

  •  Grafikdesign

  • Teamfähigkeit

5.3.3 Archivsystem

Hierbei verhält es sich ähnlich, wie bei der Hardware für das Communitysystem, die Spannbreite des Raumbedarfes liegt hier zwischen der Größe eines normalen PCs bis hin zum Servertower, je nachdem für welche Ausstattung sich der OK entscheidet. Auch hierbei ist eine webbasierte Lösung praktikabel, d.h. der Zugriff (die Archivierung) erfolgt über das Internet, während die Hardware extern untergebracht ist.

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6 Weitere Entwicklungen

Auch wenn Audio- und Videoübertragungen im Internet mitunter noch unsicher sind, so wie die Kurzwelle und das Senden und Empfangen mit der Situation der Radioamateure um 1920 zu vergleichen ist; so verdoppelt sich nach Moores Law die Leistungsfähigkeit von Chips alle 18 Monate. Das darin zum Ausdruck kommende exponentielle Wachstum scheint auch für das gesamte Multimedia-Umfeld zu gelten. Es ist daher egal, wie eingeschränkt die Übertragungen heute sind, bereits morgen werden sie mit wachsender Bandbreite und leistungsfähigeren PCs technisch erheblich besser sein.
Datentransfer / Datenkomprimierung (Stichwort Breitband)

Der ADSL-Dienst der Telekom bietet bereits heute mit 768 Kbit/s die technische Voraussetzung Audio on Demand in Hifi Qualität und komfortabel zu übertragen.

Ein dreiminütiges Lied lässt sich mit ADSL innerhalb von etwa 25 sec. runterladen.

Neue Entwicklungen im Bereich der Softwarekomprimierung lassen darauf schließen, dass in absehbarer Zeit die Voraussetzungen geschaffen sein werden, multimediale Inhalte in entsprechend guter Qualität, bei kurzen Downloadzeiten und mit geringem Speichervolumen herzustellen und über das Internet zu verbreiten.

Die notwendige Bandbreite, die Haushalte mit den folgenden Diensten (Services) versorgt:

Service

Downstream Bandbreite

Upstream Bandbreite
TV 6-8Mbps 64 Kbps
Movies On Demand 1.5 Mbps 64 Kbps
Video Konferenz 384 Kbps-1.5 Mbps 384 Kbps-1.5 Mbps

Quelle:ADSL Forum

So wurde zum Beispiel im Sommer vergangenen Jahres mit DivX ein Video-Komprimierungsformat vorgestellt, das Spielfilme derart stark „zusammenschrumpft“, dass sie bequem auf eine konventionelle CD passen. Ein herkömmlicher 90-Minuten-Film passt dann in nahezu bildschirmfüllendem Format auf eine einzige CD-Rom. Bei einer Bildauflösung von 640 mal 480 Pixeln und einer Soundqualität von 96 kBit/s benötigt ein Kinofilm dann weniger als 700 Megabyte Speicherplatz, was einer normalen CD-Rom entspricht.

Bereits im Dezember folgte eine Betaversion einer DivX- Weiterentwicklung. Der „3ivX Delta Decoder“ kann laut der Hersteller bei besserer Bildqualität wesentlich höhere Kompressionsraten erzielen. Mit 3ivX kodierte Dateien sollen dann bis zu 60 Prozent weniger Speicherplatz benötigen.

Ein zu Testzwecken 3ivX-komprimierter „Matrix“-Trailer konnte ohne größere Qualitätseinbußen auf sieben Megabyte zusammengeschrumpft werden – das entspricht etwa dem Speichervolumen von gerade mal zwei MP3-Songs.
(Vgl. Spiegel-online vom 22. Januar 2001)

Die Produzenten von Software, aber auch die Film und Fernsehindustrie arbeiten mit Hochdruck an der Weiterentwicklung der Technik, da sie in dem Bereich der Streaming Technologie weltweite Absatzmärkte prognostizieren.
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7 Ausblick / Vision

Durch die zunehmende Nutzung des Internet entstehen, insbesondere in Bezug auf das Fernsehen, Trends, die sich immer stärker ausprägen:

Trend 1: Effektivierung
Die Anschaffungskosten von Hard- und Software für PC- und Medien bleiben – von Währungskursschwankungen abgesehen – annähernd konstant. Für gleiches Geld können immer leistungsfähigere Geräte beschafft und damit immer umfangreichere Anwendungen ermöglicht werden. Dies führt dazu, dass sowohl die Zahl der Möglichkeiten als auch die Qualität einzelner Anwendungen zunimmt und weiter zunehmen wird.

Für Offene Kanäle bedeutet dies beispielsweise, dass sich

  • die Bildqualität von Videostreaming an die herkömmlicher, aber wesentlich teurerer Bildleitungen annähert. Dadurch werden passable Übertragungen von Orten möglich, die sich bisher verboten,
  • die Möglichkeit von Beitragsaustausch über den von Audiobeiträgen hinaus auf den von Videobeiträgen ausweiten wird,
  • dass günstige Bildspeicher über Sendeablaufsteuerungen eine Qualifizierung der „sendefreien Zeit“ ermöglichen.

Trend 2: Konvergenz
Bild, Ton und Bewegtbild werden zu Multimedia, die Digitalisierung von Audio und Video lässt nicht nur den Verbreitungsweg und das Bearbeitungsgerät immer ähnlicher werden, sondern auch die Inhalte und die Formen. Die Folge ist, dass die Unterscheidung von Fernsehen via Satellit, terrestrischen Sendern oder Kabelnetz zu Internet, Videostream sich an der Botschaft und an der Zielgruppe definiert, nicht mehr am Gerät oder Verbreitungsweg. Oft definiert sich das Medium auch über die Rechnung.

Noch wird Rundfunk von den Mediendiensten durch die meinungsbildende Kraft seiner Inhalte definiert, eine Trennung, die – z-B. beim Videostream vorhandene Sendungen vhs. Videostream von Sendungen, die nur im Internet zu sehen sind – auf Dauer sicher einer Veränderung unterworfen werden sein.

Für Offene Kanäle bedeutet dies beispielsweise, dass

  • Inhalt und Form sich dauerhaft am Prinzip des Rundfunks und nicht des Mediendienstes orientieren müssen (also point to multipoint und nicht point to point-Kommunikation),
  • auch diese am technischen Fortschritt teilhaben müssen, um nicht eines Tages „Bürgermedium = altes Medium“ definieren zu müssen,
  • sich die Sendeformen gleichzeitig permanent verändern müssen, einerseits Neues aufnehmen, andererseits Bewährtes im nichtkommerziellen Freiraum pflegen.

Trend 3: Experimente
Während die Weiterentwicklung der Technik grundsätzlich Experimente im Labor und im Feldversuch erfordert, lähmt die Kommerzialisierung der Medien den Experimentierdrang zugleich wie sie ihn in bestimmten Bereichen fördert. Die Selbstbeschränkung, der Verzicht auf Neues wird fast unmittelbar insbesondere durch die Börsennotierung der Sender bewirkt, denn jeder Versuch hat oft ein größeres Potential zur Ertragsminderung als die schlichte Tradierung des Vorhandenen. Zugleich nehmen die Versuche immer weiterer Entgrenzung von Werbung und Werbeumfeld systematisch zu.

Für Offene Kanäle bedeutet dies beispielsweise, dass

  • die Nicht-Kommerzialität eine entscheidende Voraussetzung für die Möglichkeit zukünftiger formaler, inhaltlicher und technischer Experimente ist,
  • zugleich diese formalen, inhaltlichen und technischen Experimente mehr als bisher gezielter Förderung bedürfen,
  • dies insbesondere die Kooperation mit Trägern der schulischen, universitären und Erwachsenenbildung erfordert.

Trend 4: Qualifizierung
Die Veränderung der Gesellschaft durch die zunehmende Nutzung der Medien, aber auch durch die Veränderung der Medien selbst, bewirkt eine völlig veränderte Kommunikation. Ein qualifizierter Umgang mit diesen neuen Kommunikations­möglichkeiten, insbesondere eine gezielte Auswahl der Medien, erfordert eine umfangreiche und anwendungs­orientierte Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger.

Die Lernmöglichkeiten der Bürgergesellschaft werden sich dabei ebenso wie die Lehrformen weiter entwickeln. Die – auch durch das Jahr eines Ehrenamtes – intensivierte Diskussion um die Teilhabe des Einzelnen an gesellschaftlichen Strukturierungsprozessen ist in einer Mediengesellschaft naturgemäß gerade bei Bürgermedien von besonderer Bedeutung.
Für Offene Kanäle bedeutet dies beispielsweise, dass

  • das Selbstverständnis des Offenen Kanals als ein Lernfeld entsprechend der Entwicklung den Medien angepasst werden muss,
  • die dafür notwendigen Lehr- und Lernformen weiterentwickelt und bereitgestellt werden müssen,
  • auch für Offene Kanäle alle Formen virtuellen Lernens von besonderer Bedeutung sind und
  • auch deshalb die Kooperation mit Bildungsträgern gesucht werden muss.

Trend 5: Rezipientenorientierung
Die Kenntlichkeit als Rundfunksender im Hörfunk oder im Fernsehen wir für alle Formen nicht kommerziellen Rundfunks, und damit insbesondere für Offenen Kanäle, durch die Zunahme des Medien- und des Rundfunkangebotes immer bedeutender. Gleichzeitig zwingt diese Kapazitätsausweitung etliche privat-kommerzielle Anbieter zu immer billigeren Formen der Rundfunkproduktion, die bisher oft das „Markenzeichen“ von OK-Beiträgen waren.

Dies bedeutet für Offene Kanäle beispielsweise, dass

  • die Möglichkeiten der Aussenübertragungen via Internet zur Verstärkung der Attraktivität des Sendeangebotes genutzt werden müssen,
  • Experimente nicht als Belastung verstanden werden sollten, sondern als Markenzeichen entwickelt werden müssen.

Trend 6: Interaktivität
Die stärkere Einbeziehung und damit Bindung der Zuschauerinnen und Zuschauer ist zugleich Voraussetzung und folge interaktiver Medienformen. In wenigen Jahren wird Rundfunknutzern ein nicht-interaktives „Interface“ langweilig und gestrig vorkommen. Derartige Kommunikationsformen entsprechen der Natur des Offenen Kanals und werden in Kürze aus dem Alltag der Bürgersender nicht mehr wegzudenken sein.

Dies bedeutet für Offene Kanäle beispielsweise, dass

  • diese eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Entwicklungsgarantie bekommen und dass
  • die Offenen Kanäle wiederum sich aktiv neuen Möglichkeiten technisch und formal öffnen müssen.

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